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Umzug am Tag der Arbeit

Mission in meinem Projekt in Bolivien Leonie

Seit dem letzten Jahr hat sich hier für mich einiges im Projekt geändert. Habe ich vorher noch unbekümmert mit den Kindern im Kindergarten gespielt, so hat meine Arbeit nun einiges an Unbeschwertheit verloren. Der Unterricht in der ersten Klasse ist zwar nicht wesentlich anders als im Kindergarten, allerdings arbeite ich neuerdings auch noch nebenbei in der „Tutoria“. Dies ermöglicht mir tiefe Einblicke in das Leben meiner Schüler. In der Tutoria geht es hauptsächlich darum, als Wegbegleiter für die Kinder und Jugendlichen zu funktionieren. In der Grundschule handelt es sich dabei vor allem um die Unterstützung bei Lerndefiziten. Wir holen dabei regelmäßig die Schüler mit Schwierigkeiten aus ihren Klassen, um sie dann im Einzelunterricht bestmöglich individuell fördern zu können.

Beim lesen in der „Tutoria“

In der weiterführenden Schule spielt jedoch die psychologische Begleitung eine vorrangige Rolle. Die Schüler können dort mit jeglichen Problemen zu uns kommen. Meist handelt es sich um häusliche Gewalt, sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen oder ungewollte Schwanger-schaften. Die stellen in San Jose eines der Hauptprobleme der Gesellschaft da. Allein im vergangenen Jahr wurden im Krankenhaus fast 500 Geburten von Minderjährigen ausgetragen, was mir in einem kleinen Ort wie San

Jose eine erschreckend hohe Zahl erscheint. Neben den offensichtlichen Folgen wie etwa Armut bergen ungewollte Schwangerschaften noch weitere Gefahren. In Bolivien sind Abtreibungen verboten und so suchen viele Mädchen in ihrer Verzweiflung andere Alternativen. In San Jose wird man da auch recht schnell bei sogenannten Schamanen fündig, die unter anderem Abtreibungen auf methodisch sehr fragwürdige Arten vornehmen. Meist führen diese nicht nur zum Abgang des Embryos, sondern auch zum Tod der Mutter. Das Pastoral veranstaltet regelmäßig Kampagnen zur Prävention von ungewollten Schwangerschaften, jedoch sind unsere Handlungsspielräume stark eingeschränkt, da viele Lehrer und Eltern streng katholisch geprägt sind und jeglichen Verhütungsmitteln skeptisch gegen-überstehen.

Ein weiteres Thema, das die Kampagne behandelt, ist Alkoholismus. Nicht nur unter Jugendlichen ist das ein großes Problem. Vor allem in den Familien kommt es nicht selten gerade deswegen auch zu häuslicher Gewalt. Die meisten meiner Schüler sind daran gewöhnt und empfinden das sogar als normal.

Da die Zusatzstunden am Nachmittag für die ich eingeteilt bin, noch immer nicht begonnen haben, hatte ich genügend Zeit, mich anderweitig zu engagieren. So helfe ich nachmittags in einer Schule für Kinder und Erwachsene mit Behinderungen. Meine Aufgabe ist es dort auf spielerische Weise herauszufinden, welche Schwierigkeiten die Schüler haben, um dann ihr Profil schreiben zu können. Ich finde es sehr gut, dass durch diese Einrichtung ein Ort geschaffen wurde, an dem jeder in seinem Tempo und abhängig von seinen persönlichen Fähigkeiten lernen und arbeiten kann. Allerdings wird die Schule ausschließlich von Laien geführt, und so fehlt es oftmals an Fachwissen, um den Kindern und Erwachsenen konkret helfen zu können.

Ein weiteres großes Problem in San Jose stellt die Wasserversorgung dar. Von der großen Dürre, die im restlichen Land herrscht, wurde das Dorf glücklicherweise verschont. Nichts desto trotz ist Wasser schon seit jeher ein knappes Gut. Noch gravierender für die Menschen ist jedoch die Beschaffenheit des Leitungswassers. Dass das Wasser stark kontaminiert und nicht zum Trinken geeignet ist, ist allgemein bekannt, jedoch können sich nur die Wenigsten einen Filter leisten. Das verunreinigte Wasser ist verantwortlich für eine Vielzahl von Krankheiten, was ich auch schon am eigenen Leib erfahren musste. So sind etwa 70 Prozent der Bevölkerung hier sogenannte „Dauerausscheider“ von Salmonellen. Das bedeutet, dass sie über viele Monate hinweg Salmonellen im Körper haben, die sich jeder Zeit wieder „aktivieren“ können. Dabei handelt es sich noch um eine meist harmlose Krankheit, jedoch wird über das Wasser auch eine Vielzahl an Parasiten aufgenommen, die oft nur schwer wieder loszubekommen sind und gravierende Folgen haben können. Umso erfreulicher ist es, dass wir seit Kurzem einen Filter in der Schulmensa haben, so dass dort die Getränke mit sauberem Wasser zubereitet werden können. Ziel der Maristen ist es, an allen Wasserhähnen der Schule Filter anzubringen, jedoch ist das momentan auf Grund der Kosten noch nicht möglich.

Auf dem Weg zur Mensa

In San Jose sind die Maristen ganz besonders stolz darauf, dass es noch immer eine Kommunität gibt, obwohl schon lange kein Frater mehr dort wohnt. Deswegen wird San Jose oft als Vorzeigebeispiel einer funktionierenden Laienkommunität gesehen. Nichts desto trotz haben die Maristen dort noch einen langen Weg vor sich, um ihre Mission zu erfüllen. Innerhalb dieser neun Monate konnte ich aber auch schon kleine Erfolge feststellen, die Mut machen, den bisherigen Weg weiter zu gehen.

 

Leonie im Mai 2017