Ich denke einige kennen dieses Zitat. Für mich war das einfach nur ein Satz den Mandela mal gesagt hat – zumindest bis vor ein paar Monaten. In Deutschland ist jeder verpflichtet zur Schule zu gehen, also sehen wir das als etwas Selbstverständliches an – das tun die Menschen hier nicht. Der Großteil der Bevölkerung muss dafür kämpfen und das nicht immer erfolgreich. Das war für mich in Deutschland nie vorstellbar, dass es Kinder gibt, die Jahre lang nur zuhause rum sitzen weil die Eltern kein Geld für eine Schulausbildung haben und dann mit 12 in Grade 3 kommen und noch nicht mal lesen können. Wie sollen diese Kinder, wenn sie Three2Six verlassen und auf eine öffentliche Schule gehen, dort durch kommen? Das ist eine Frage, die ich mir seit Monaten stelle, aber wahrscheinlich nie beantworten kann.
In den letzten Monaten habe ich viele Dinge erlebt, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Es gibt immer Kinder, die auf dem Feld zu mir kommen und mir von zuhause erzählen, dort geschlagen werden und ich weiß dann oft nicht was ich sagen soll. Was ich nie vergessen werde ist, als ein Mädchen mir erzählt hat, dass ihre Mutter 300 Rand (das sind für uns ca. 18 Euro) verloren hat und sie jetzt beschuldigt und deswegen schlagt. Das Mädchen hatte blaue Flecken und so eine Angst, dass sie nicht mal mehr nach Hause wollte. Wenn ich so etwas höre, wird mir oft klar wie dankbar ich für meine Familie und die Umgebung zuhause bin.
Was auch jeden Tag vorkommt, ist dass Kinder sich gegenseitig schlagen und beleidigen. Am Anfang konnte ich da nicht nachvollziehen und wusste nicht wie ich damit umgehen soll. Mittlerweile wird mir aber klar, dass die Kids es vielleicht nicht anders kennen von zuhause. Ein Kind, das ich niemals vergessen werde, hat mich richtig wütend gemacht. Sie hat andere geschlagen und dabei gelacht, als ob sie Spaß dabei hätte. Im Nachhinein habe ich von ihrer Lehrerin erfahren was bei ihr zuhause passiert und seit dem sehe ich das alles auch anders. Mit der Art zu unterrichten komme ich hier auch manchmal nicht klar. Dass die Lehrer manchmal die Zeit effektiver nutzen können ist der eine Punkt, aber dass Kinder geschlagen werden ist unverzeihlich. Es gab solchem Vorfalle und manchmal geh ich nur deswegen in die Klasse, um die Kids quasi davor zu ‚beschützen‘. Was ich dann gar nicht nachvollziehen kann ist, dass genau der Lehrer der ist, der am meisten respektiert und gemocht wird. Manchmal habe ich das Gefühl, die Kinder merken gar nicht, dass das gegen ihre Menschenrechte geht.
Trotz alledem bin ich auch gerade dann wieder froh um meine eigene Schulzeit – zumindest war es sicher und effektiv. Die aber würde ich sagen, größte Lektion dich ich gelernt habe ist zufrieden mit kleinen Dingen zu sein und nicht immer mehr zu wollen. Das ist eine Sache die mir die Kinder jeden Tag wieder mit ihrer offenen und fröhlichen Art lehren. Jeden Tag schätze ich mehr wert was für ein Leben ich habe und wenn es ging, wurde ich all die süßen Kids in meinem Koffer verstecken und mit nach Deutschland nehmen. Aber es gibt nicht nur schwierige Dinge, die mich verändert haben! Ich habe z.b auch meine liebe zum Unterrichten entdeckt .Es ist weniger einfach als gedacht sie zum Aufpassen zu bringen, das challenged mich jeden Tag – lernt mich aber auch geduldiger zu werden.
Das maristische Netzwerk funktioniert anders als ich es gewohnt bin. An der Maristenschule hier hat Marcellin einen viel hören Stellenwert und jeder kennt ihn. Unsere Community von Volontären ist einmal im Monat bei den Brüdern eingeladen zum Essen und auch sonst sehen wir sie öfters auf dem Campus – das ist aber auch der einzige Kontakt. Im Projekt selber merke ich von der maristischen Bewegung nicht viel. Ich denke die meisten Kinder wissen nicht einmal wer Champagnat ist, das liegt wahrscheinlich auch daran, dass sie aus vielen verschiedenen Ländern kommen und diverse Religionen mit sich bringen. In unserer Community ist es unterschiedlich. Alex aus England und Katja aus Finnland z.B. haben beide noch nie was von Maristen gehört, bevor sie hierhergekommen sind um für Three2Six zu volontieren. Ganz anders ist es mit Honi und Joao, unseren zwei Brasilianern – Die beiden sind auch über eine Maristen Organisation hier. In Brasilien ist die Marist Movement auch noch viel starker vertreten als in Deutschland. An den Schulen dort weiß jeder wer Champagnat ist und jeder träumt davon mal nach La Valla und L’Hermitage zu fahren um Champagnats Geburtsstätte zu besichtigen – ein Ort wovon die meisten an meiner Schule in Mindelheim wahrscheinlich noch nie gehört haben. Aber egal ob Marist bevor oder nicht, jeder von uns Volontären hat durch seine Zeit hier die maristischen Werte kennen und zu schätzen gelernt.
Mit jedem Tag der vergeht fühle ich mich auch mehr wohl hier und wenn ich abends ins Bett gehe, morgens zur Arbeit fahre oder mit den Kindern spiele, dann fühlt es sich nicht mehr besonders und fremd an, sondern einfach normal – sei es die Umgebung, meine Kids oder die Community. Für mich sind sie alle wie eine zweite Familie oder ein zweites zuhause. Dadurch verändert sich aber nicht der Kontakt nach Hause sondern ich telefoniere oder schreibe immer noch regelmäßig mit meiner Familie, meinen Freunden oder z.B. den anderen Volontären. Wenn es mal weniger wird oder ich das Gefühl habe ich bekomme nichts mit von zuhause, dann mache ich mir bewusst, dass ich in 2 Monaten wieder in Deutschland bin und auch keinen oder nicht mehr so viel Kontakt zu meinen Kids und den Leuten hier haben werde können, deswegen will ich auch die Zeit hier nutzen! Meine Familie und Freunde werden auch in 2 Monaten noch da sein und auf mich warten und dann ist genug Zeit zum Erzählen. Ich bin also gespannt auf die Zeit, wenn ich wieder nach Deutschland komme und alle wieder sehe, weil einige Highlights anstehen bis für mich der Ernst des Lebens beginnt und ich im Oktober zu studieren anfange.
Paula im März 2019