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Erster Bericht aus Tansania Michael

„Mitarbeit in der Schule (gemischte Secondary School), Mitarbeit in der Schule für gehörlose und gehörgeschädigte Kinder, Pastoralarbeit.“

Das war die Stellenbeschreibung für mein Plakat im Vorbereitungsseminar, die ich aus irgendeinem Brief übernommen hatte, weil ich schon damals nicht genau wusste wie meine Arbeit aussehen wird. Schlussendlich reiste ich mit dem Gedanken ab: „Mir wird schon gesagt werden, was ich machen soll und meine Arbeit ist ja in der Schule.“ In Masonga angekommen stellte sich jedoch heraus, dass sich weder das eine noch das andere bewahrheitete. Ich sei komplett frei und dürfe tun was immer mir gefalle lautete die Antwort von Brother Valerian auf die Frage nach meiner Arbeit. Nur solange ich noch kein Langzeitvisum habe, könne ich nicht in der Schule arbeiten, fügte er noch hinzu. Das war auch so eine Erwartung, mit der ich aufbrach, dass mein Langzeitvisum spätestens nach einem Monat in Tansania doch endlich fertig sein muss, nachdem ich es doch schon im Mai beantragt hatte. Beim Abendessen des ersten Abends folgte die nächste Überraschung: Ein Mädchen setzte sich mit an den Tisch und stellte sich mir als mein Vorgänger vor. Sie verbrachte das letzte Jahr hier als Volunteer mit den Brüdern. Warum das für mich eine Überraschung war? Weil ich davon ausging, dass ich der erste Langzeitvolunteer in Masonga sein werde. In den nächsten Tagen suchte ich mir also eine Arbeit und fand sehr schnell etwas was mir gefällt: Handwerken mit Brother Sergio. Dabei wurde ich dann erneut überrascht, als Brother Sergio plötzlich nicht mehr Englisch, sondern Kiswahili sprach. Da ich zuvor die Amtssprachen (Englisch und Kiswahili) recherchiert hatte, war ich davon ausgegangen, dass auch beide gleichermaßen verbreitet sind. Damit lag ich allerdings, wie sich mir Tag für Tag zeigte, total falsch. Insbesondere hier in der Peripherie sprechen die meisten Menschen nur Kiswahili und ihre Stammessprache hier Luo (man findet hier aber auch immer wieder Menschen, die nur Luo sprechen ).

Die Sprache war allerdings nicht der einstige neue Eindruck. Bei meiner Ankunft in Mwanza war ich regelrecht geflasht von neuen Eindrücken: Jemand will unbedingt meinen Posaunenkoffer bis zum Auto tragen natürlich für etwas Geld, die Straßen sind voll von Motorrädern, in einem Restaurant essen die Menschen am Nachbartisch mit den Fingern, der Straßenrand ist voll von kleinen Läden und Verkaufsständen und es wimmelt nur so von Menschen. Etwas später außerhalb von Mwanza wird ein haltender Kleinbus von 20 bis 30 Kindern umringt, die alle versuchen, Zuckerrohr an die Insassen zu verkaufen. Als ich bei den Brüdern in Masonga ankam, gefiel es mir sofort. Sie haben einen großen Garten, es scheint, gutes Essen zu geben und mein Zimmer ist einfach, aber solide, eingerichtet und verfügt über eine eigene Toilette und Dusche mit fließendem Wasser.

Die Kommunität, die ich dort vorfand, bestand aus: Brother Sergio, der mich vom Flughafen abholte und in der Kommunität der Handwerker und Ingenieure ist. Brother Valerian, der die Kommunität und die Schule leitet. Brother Joseph, der an der Schule unterricht.
Andrea, die das letzte Jahr hier als Volunteer verbrachte und mittlerweile schon abgereist ist. Simon, der für die Brüder kocht und daher sehr viel Zeit in der Kommunität verbringt, weshalb er nun ein guter Freund ist. Hinzukommen Rafa, Lucy und Mama Vadder, die andere Arbeiten rund um die Kommunität erledigen.
Von Beginn an waren alle mir gegenüber offen und nett, weshalb ich mich mit allen auch gut verstehe.
Wie schon beschrieben, arbeitete ich also in den ersten Tagen mit Brother Sergio, da ich ihn durch die Fahrt zu diesem Zeitpunkt am besten von allen kannte und weil mir Handwerken einfach liegt. In der ersten Woche erwartete uns ein großes Problem: Die Frontachse des Traktors der Brüder war gebrochen und stark verbogen, was mir unmöglich zu reparieren schien. Doch Brother Sergio, der auf der Fahrt von Mwanza nach Masonga noch nach einem neuem Traktor Ausschau hielt, meinte nur: „Wir versuchen es.“ Also begann wir zusammen mit Rafa die komplette Frontverkleidung abzuschrauben und arbeiteten uns Schritt für Schritt vor, bis wir schließlich die Achse demontieren konnten. Danach galt es die Achse wieder in die richtige Form zubringen, was ohne Maschinen nur unter immensen Kraftaufwand, langen Hebeln und purer Gewalt möglich war. Daraufhin wurde alles ordentlich verschweißt und die Achse war wieder funktionsfähig. Seither leistet der Traktor wieder hervorragende Arbeit. Als nächstes bauten wir einen neuen Ofen zum Kochen, zuerst einen kleinen Prototyp in Eisen der nach mehreren Modifikationen perfekt funktionierte und wenig später dann auch einen größeren mit Ziegeln, der aber nach dem gleichen Prinzip gebaut ist und somit ebenfalls sehr effizient und gleichzeitig extrem heiß ist. Auch ein weiteres großen Projekt war das Bauen einer Windmühle. Windmühlen sind hier die effizienteste Methode, Wasser aus dem Victoriasee zu pumpen; denn es gibt eine beständige Brise vom See (besonders in der Trockenzeit). Die Windmühle bauten wir hier komplett selbst und stellten sie dann im Nachbardorf auf, um Wasser in das Dorf zu pumpen. Dort wird sie nun von Morrice verwaltet. Er hat auch in Masonga zwei Windmühlen, die Wasser vom See bergaufwärts in das mehr als einen Kilometer entfernte Dorfzentrum pumen. Dort und ebenso im Nachbardorf können die Dorfbewohner für umgerechnet 4 Cent 20 Liter Wasser kaufen. Morrice und Brother Sergio sind die Experten für diese Windmühlen und bauen sie schon seit mehr als 10 Jahren. Weiter kümmere ich mich zusammen mit Rafa um die Bewässerung des Gartens und um Feurholz. Auch konnte ich schon dreimal Papayamarmelade kochen. Im Großen und ganzen arbeite ich also bis jetzt eigentlich ausschließen in der Kommunität. Einerseits gibt es eben große Projekt und anderseits sind es einfach kleine Reparaturen, die meinem Alltag bestimmen.

Deshalb verbringe ich meine Freizeit meistens außerhalb der Kommunität. Entweder gehe ich zu den Hostels (Internat jeweils für Jungen und Mädchen) und bin so in Kontakt mit den Schülern oder ich laufe einfach so durch das Dorf. Dabei entdecke ich immer wieder neue Plätze, lerne immer wieder neue Leute kennen und bin immer wieder von der großen Gastfreundlichkeit überwältigt. Gerade in den ersten Wochen, in den ich nicht mehr als grüßen konnte, war es sehr interessant, wie ich trotzdem eingeladen wurde und wie dadurch doch Kommunikation möglich wurde. Auf diesem Weg hab ich viele Erwachse und noch mehr Kinder kennengelernt und zu Freunden gewonnen. Ich habe aber auch deutlich festgestellt, dass eine gute und tiefer gehende Freundschaft doch nur auf Basis derselben Sprache entstehen kann. So habe ich mehrere Schüler und Schülerinnen, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Aber auch Morrice und Jarrat, ein guter Freund von Brother Sergio, sind gute Freunde, mit denen ich mich immer wieder über Technik, Mechanik und Wissenschaft im Allgemein unterhalte. Zuletzt ist da noch Doreen. Sie hat einen Laden in Masonga. Sie unterstützte mich besonders zu Beginn in den verschiedensten Angelegenheiten, beispielsweise beim Einrichten einer SIM-Karte. Nun bin ich im Alltag immer weniger auf sie angewiesen, weil ich mit ihr mehr und mehr Kiswahili lerne.

Diese Vielfalt und die Möglichkeiten Neues zu lernen, sowohl im sprachlichen Bereich, als auch im handwerklichen Bereich, sind es, was mir hier in Masonga so viel Freude bereiten. Und zuletzt die Kinder, die einen so sehr nerven können, dass man sofort wieder nach Hause umkehren möchte, auch wenn man gerade erst losgelaufen ist, mit denen man aber auch einfach so viel Spaß haben kann, dass man nicht mehr nach Hause gehen möchte, wenn es schon lange Zeit dafür ist.

Michael im Oktober 2017