„Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich für das was einem wichtig ist.“ Klar, das ist nicht allseits übertragbar, aber in vielen Situationen meiner Meinung nach schon. Laut meinen Eltern hätte ich die Zeit für die 9 Monate in Südafrika gar nicht ‚gehabt‘, sondern sie fürs Studieren verwenden müssen. Aber trotz aller, die dieselbe Meinung haben oder hatten, habe ich mich nicht von meinem Traum abbringen lassen. Ich weiß, dass es die Zeit mehr als wert war. Ich habe Erfahrungen gesammelt und Dinge gelernt, für die ich vielleicht den Rest meines Lebens nicht noch einmal die Chance bekomme.
Und jetzt bin ich schon wieder seit ca 3 Monaten in Deutschland. Dass der Beginn meines Abenteuers schon fast ein ganzes Jahr zurück liegt, kann ich manchmal gar nicht glauben. Als ich am 19.09.2018 in Johannesburg am Flughafen angekommen bin, war ich erstmal geschockt und überfordert mit im Grunde allem. Aber naja, die Zeit heilt alle Wunden. 9 Monate später war es dann ein ähnliches Gefühl! Diesen Moment, wenn man wieder in Deutschland, seinem Zuhause und bei seiner Familie und Freunden ankommt, habe ich mir oft ausgemalt. Aber dass ich mich ähnlich wie neun Monate zuvor fühlen würde, habe ich am Anfang nicht erwartet. Klar, ich habe in Deutschland ein ganz anderes Leben geführt, sowohl von der Umgebung als auch den Menschen mit denen ich zu tun hatte. Johannesburg hat durchaus europäische Züge, deswegen waren jetzt z.B große Supermärkte oder viele Autos nicht unbedingt etwas, an das ich mich wieder gewöhnen musste. Ich denke aber, dass das Schwierigste für mich war, wieder mit dem Alltagsdruck und der Mentalität der Menschen umzugehen. Ich habe mich zwar als Person nicht groß verändert aber meine Ansichten und Einstellungen schon.
Ein großer Punkt ist, dass ich die Sicherheit in Deutschland deutlich mehr zu schätzen weiß. In Joburg konnte man sich zwar in gewissen Gegenden schon bewegen, aber nicht alleine und vor allem nicht bei Nacht und es gibt auch Gebiete in die mich meine Mentorin auch nicht mit dem Auto hätte fahren lassen. Für uns ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit und das habe ich selbst nicht so wahrgenommen, bis ich wieder zuhause war. Ich traue mich oft immer noch nicht mein Fahrrad auch mal kurz unabgeschlossen stehen zu lassen, bei Dunkelheit spazieren zu gehen und manchmal fällt mir auch auf, dass ich unbewusst meine Tasche nach vorne nehme, wenn ich in größeren Mengen unterwegs bin. Ich selber wurde zwar nicht angegriffen, aber ich war bei einer Schießerei relativ nahe dabei und war geschockt für wie alltäglich die Leute das hielten.
Was ich während der Zeit in Südafrika gelernt habe, ist wie wichtig Familie und Freunde sind. Einerseits dadurch, dass ich so weit weg von meiner eigenen war und mir dadurch erst bewusst geworden ist, wie sehr ich sie brauche und wertschätze. Aber vor allem auch durch den Umgang mit den Kindern. Viele von den Kids im Projekt haben entweder gar keine Eltern oder Familie mehr oder leben nur noch mit einem Elternteil zusammen, weil der andere weit entfernt arbeiten muss oder z.B. gestorben ist. Mir ist dann erst klar geworden, wie glücklich ich mich selber schätzen kann. Die Kinder aus dem Projekt Three2Six kommen zum überwiegenden Teil aus sehr ärmlichen Verhältnissen und sie haben mir oft erzählt wie das Leben bei ihnen zuhause ist. Für mich ist es schwer zu verstehen wie sie dann jeden Tag die Kraft zum Aufstehen finden, wenn sie so wenig haben, worauf sie sich freuen können. Viele haben mir dann erzählt, dass sie sich zumindest auf ihre Freunde freuen, die sie jeden Tag am Sacred Heart sehen.
Meine Einstellungen haben sich auch insofern verändert, dass ich mit weniger brauche um zufrieden zu sein. Das zeigt sich in kleinen Dingen, wie als ich überlegen sollte, was ich mir zum Geburtstag wünsche. Früher hätte ich eine ganze Liste schreiben können mit Dingen die ich vielleicht will aber mir ist diesmal nichts eingefallen, weil ich gemerkt habe, dass ich all diese Dinge gar nicht wirklich brauche. Besonders wenn ich einkaufen gehe mit meiner Familie: Unsere gesamte Tiefkühltruhe ist voll und trotzdem wird immer noch mehr gekauft. Oder beim Kochen: Meine Eltern kochen immer zu viel, sodass wir eigentlich jedes Mal etwas wegschmeißen.
Was mir öfter auffällt ist, ist wie sehr sich die meisten Menschen nur auf sich und ihre Karriere und Zukunft konzentrieren und das möchte ich anders machen. Ich will nicht den Rest meines Lebens vor einem Computer sitzen, nur mit dem Ziel Geld zu verdienen und das jeden Tag. Ich habe durch die Arbeit im Projekt gemerkt, wie wichtig Bildung und Erziehung ist, und möchte so meinen Teil beitragen.