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Ein Hallo aus Johannesburg

„Lass dir von Menschen mit kleinem Horizont nicht erzählen, dass deine Träume zu groß sind.“

Dieses Zitat hielt ich mir vor meinem Abflug im August immer wieder vor Augen, als mir Verwandte, Bekannte und Freunde skeptisch und pessimistisch zusprachen, dass 9 1/2 Monate viel zu lang seien, dass Johannesburg viel zu gefährlich sei und ob ich wirklich bereit bin, so weit weg von zu Hause zu sein oder ob es doch nicht besser wäre, direkt zu studieren anzufangen. Doch ich habe mich von diesen Aussagen nicht beeinflussen lassen, denn meine Vorstellung war schon lange, nach meinem Abitur etwas Sinnvolles zu machen, anderen zu helfen, dem deutschen Luxus und Alltag zu entweichen und neue spannende Erfahrungen zu machen — wenn nicht jetzt, wann dann?

Zwei Monate lebe ich nun hier in Südafrika und fühle mich pudelwohl. Doch das war nicht von Anfang an so. Der Abschied von meiner Familie am Flughafen war hart, doch nach 11 Stunden Flug hat mich Colin, der Schulleiter und Kopf von Three2Six, seine Frau Lynn und Georg, ein deutscher Volontär vom Kindermissionswerk, herzlich am Flughafen entgegengenommen. Schon gleich wurde mir bewusst, „okay Celine, jetzt bist du nicht mehr zu Hause!“, denn von dem einen auf den anderen Moment wurde nur noch englisch geredet, was mich sehr überforderte. Auch in der WG und in meiner Arbeit fühlte ich mich in der ersten Woche überhaupt nicht wohl. Ich fühlte mich ein wenig fehl am Platz „die Neue“ zu sein, ständig nachfragen zu müssen, wie was geht und generell haben die Lehrerinnen hier am Holy Family College eine sehr gewöhnungsbedürftige Persönlichkeit, mit welcher ich nicht weiß, wie ich umgehen soll. Aber schließlich bin ich hier ja nicht, um mich mit den Lehrerinnen anzufreunden, sondern um für die Kinder da zu sein.

Vielleicht waren meine Erwartungen anfangs auch ein wenig zu hoch, dass ich in meinem Projekt ankomme und mich die Kinder sofort in ihre Spiele einbeziehen. Das war nicht so. Stattdessen haben sie an meiner weißen Haut gerochen, gerubbelt und ja, einer hat sogar daran geleckt. Es hat eine Weile gedauert, bis die Kinder mich als Spielpartnerin und gleichzeitig auch als Respektperson akzeptiert haben.

Doch wie läuft ein ganz normaler Arbeitstag am Holy Family College bei mir eigentlich ab? Montag bis Mittwoch bin ich von 10 Uhr bis 12 Uhr im Büro des Three2Six Programms und bearbeite E-Mails, Klassenpläne, Transportlisten, kümmere mich um die iPads oder führe Elterngespräche. Donnerstagvormittags haben wir ein Treffen mit der Schulleiterin Otteline, wo wir über Organisatorisches und Finanzielles sprechen. Freitagvormittags findet das Lehrerinnentreffen statt, wo wir über die vergangene Woche

diskutieren und zukünftige Veranstaltungen planen, wie beispielsweise das kommende Weihnachtskonzert.

Nach dem Mittagessen um 13 Uhr mache ich mich auf den Weg zu den Kindern auf den Sportplatz. Schon auf halbem Weg kommen mir vereinzelte Kinder entgegengerannt und fallen mir in die Arme. Auf der Spielwiese angekommen, bekomme ich ebenso täglich zigfache Umarmungen und Komplimente. Besonders beliebt sind meine Haare, denn die sind ja „sooooo“ weich. Die Stunde Mittagspause verbringen wir mit Klatschspielen, Skubidu, Seil hüpfen und Fußball spielen. Außerdem bekommen die Kids Obst und Kekse, da einige zu Hause nichts gegessen haben und sie so durch die Snacks ein wenig Energie für die erste Unterrichtseinheit bekommen sollen. Bevor es in den Unterricht geht, werden die Benimmregeln wiederholt, es wird gesungen und gebetet. Nach einer Stunde Unterricht bekommen die Kinder Mittagessen. Nach dem Mittagessen wird für 2 Stunden Mathe, Englisch und Life Skills unterrichtet. Einmal die Woche findet für Grade R und 1 iPad Unterricht und für Grade 2 und 3 Judo statt. Freitags versammeln sich alle Klassen in der Kapelle, und es wird gesungen und religiöse Inhalte werden vermittelt. Bevor die Busse um halb sechs ankommen, wird das Klassenzimmer gekehrt und evtl. darf ich den Kindern noch eine Geschichte vorlesen. Zwischen halb 6 und 6 kann ich mir aussuchen, ob ich die Kinder in den Bussen nach Hause begleite oder ob ich mit den anderen noch ein wenig auf dem Spielplatz spiele. In letzter Zeit war ich oft in den Bussen mit unterwegs, da ich so in andere Viertel von Johannesburg komme und die Stadt so besser kennen lerne – einfache Häuser, niedrige Lebensumstände und verschmutze und vermüllte Straßen – Impressionen, welche ich als Fremde und Weiße sonst vielleicht nie sehen könnte.

Ich liebe die Arbeit mit den Kindern, auch wenn es teilweise super anstrengend ist, aber die Kids geben mir täglich so viel Liebe zurück und zeigen mir, dass sie dankbar sind, mich zu haben.

In den bevorstehenden Monaten ist viel geplant, worauf ich mich sehr freue. Zum einen werden wir für drei Tage mit Grade 3 auf ein Camp fahren. Außerdem haben wir sowohl ein Weihnachtskonzert als auch eine Weihnachtsparty geplant. Bevor es für uns einen Monat in die Ferien geht, ist natürlich unser zweiwöchiges Ferienprogramm, Anfang Dezember nicht zu vergessen, bei dem ich sicher bin, dass dies super spaßig wird.

Ich lebe in einer Kommunität mit 9 weiteren Volontären aus unterschiedlichen Ländern der Welt, wie England, Finnland, Brasilien, Italien, Deutschland und Südafrika. Wir verstehen uns alle super und ich muss sagen, ich hätte es für mich nicht besser treffen können. Wir unternehmen total viel gemeinsam, sodass es hier nie langweilig wird. Außerdem sind wir einmal die Woche bei Colin zum Abendessen. Darüber hinaus sind wir Gastfamilien zugeteilt worden,  bei welcher ich alle zwei Wochen zu einer Mahlzeit eingeladen werde. Durch die Gespräche mit meiner Gastfamilie erfahre ich nicht nur von aktuellen politischen Geschehnisse in der Welt, von welchen ich in meiner WG relativ wenig mitbekomme, da wir weder Radio hören, noch einen Fernseher haben, sondern ich darf von einer anderen Sichtweise die täglichen Diskussionen zwischen Teenager und Eltern erleben. Außerdem ist besonders meine Gastmutter bemüht, mir ein außerordentlich gesundes Essen bereitzustellen, da das mittägliche Schulessen alles andere als abwechslungsreich und gesund ist.

Doch wie stehe ich nun zu den anfänglichen Aussagen?

à „9 1/2 Monate sind zu lang“: Ich bin nun seit 2 Monaten hier und die Zeit vergeht wie im Flug. Ich bin froh, dass CMI mir die Möglichkeit gibt, hier so lange zu bleiben. Es braucht seine Zeit, bis man angekommen ist und sich an die neue Lebenssituation gewöhnt hat, deshalb könnte ich mir niemals vorstellen, bald schon wieder nach Hause fliegen zu müssen.

à „Johannesburg ist viel zu gefährlich“: Ja, Johannesburg ist nicht ganz ohne Vorsicht zu genießen und die Freiheit aus Deutschland vermisse ich definitiv. Unsere Unterkunft und in dem Areal, in dem wir uns bewegen, gehört zu dem wohlhabenden Teil von Johannesburg und ist nicht ganz so gefährlich wie andere Teile. So können wir zum Einkaufszentrum laufen und sind nicht immer an das Auto angewiesen. Bedroht gefühlt habe ich mich bisher noch nie.

à„Ich möchte dem deutschen Luxus entweichen“: Hierzu muss ich sagen, dass ich überrascht bin, wie „luxuriös“ das Leben hier ist. Ich hab mich definitiv auf geringere Lebensumstände eingestellt.

à„Englisch reden überfordert mich“: Ich merke definitiv den Unterschied zwischen Schulenglisch und der Realität. Da die Muttersprache der Lehrerinnen in meiner Arbeit nicht englisch ist, haben sie einen ziemlich harten Dialekt und ich kämpfte anfangs sehr sie zu verstehen und habe mich teilweise gefragt ob wir wirklich die gleiche Sprache sprechen. Nichtsdestotrotz liebe ich englisch zu reden und lerne immer mehr dazu.

Bis bald,

Celine im November 2018