„Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich für das, was einem wichtig ist!“. Dieses Zitat habe ich eigentlich immer im Kopf, wenn ich eine Entscheidung treffen muss. So auch als ich mich für das FSJ in Südafrika entschieden habe. Für mich kam der ‚normale‘ Weg, gleich studieren zu gehen nicht in Frage. Egal was meine Familie und Freunde gesagt haben, mir war/ist es wichtig etwas Sinnvolles für Kinder zu tun, die diese Hilfe wirklich nötig haben und dabei dem deutschen Luxus zu entkommen. Das Johannesburg nicht die schönste Wahl ist, war mir egal, schließlich bin ich hier um aus meiner Wohlfühlzone rauszukommen.
Ich lebe nun schon etwas mehr als 3 Monate hier in Südafrika. Der Abschied zuhause von meiner Familie und meinem Freund war super schwer, aber am Flughafen in Johannesburg wurde ich von meiner neuen Familie für 9 Monate super lieb empfangen. Das hat mir sehr geholfen, mit der Situation in einem völlig fremden Land klar zu kommen. Für mich waren die ersten Wochen ein richtiger Kulturschock – Ich lebe in Deutschland in einer relativ kleinen Stadt und hatte die Natur so immer um mich, das fehlt mir hier z.B total. Einfach so rausgehen, eine Radtour machen oder dem Stadttrubel zu entkommen, geht hier nicht. Deshalb habe ich mich erstmal ziemlich verloren gefühlt. Genauso in der Arbeit. Unsere Leiterin Ester hat mich zwar super lieb empfangen und auch das gesamte Team am Sacred Heart College ist super freundlich (Besonders Memory mit ihren Milkshakes ;D) Da aber jedes Jahr ein neuer Volontär kommt und meine Mentorin auch schon schlechte Erfahrungen mit Volontären gemacht hat, dauert es etwas, bis sie einem Vertrauen schenkt und größere Aufgaben zutraut.
Die Kinder waren von Anfang an super aufgeregt und haben mich mit offenen Armen empfangen, was mir jeden Tag ein Lächeln auf die Lippen zaubert, egal wie schwer der Tag ist. Aber wie schaut ein normaler Tag aus?
Erstmal: Normal gibt es nicht, weil jeder Tag anders ist! Von 10 bis 12 Uhr bin ich jeden Tag im Office. Das bedeutet aber nicht nur vor dem Computer sitzen und die Daten der Kids zu sortieren, sondern bei Elterngesprächen helfen, Organisationsarbeit erledigen, Kinder zum Arzt fahren usw.…Nach einer kurzen Mittagspause treffen die Kinder mit den Bussen auf dem Feld ein. Einige kommen mir dann schon entgegen gerannt, umarmen mich und schreien meinen Namen. Es gibt Tage, da stecken die Kinder voller Energie, rennen, spielen Fußball oder andere Hüpf- und Klatschspiele oder ich helfe ihnen bei den Hausaufgaben. Aber es gibt auch Tage, da kommen sie weinend auf mich zu und ich höre zu, wie sie mir Geschichten von zuhause erzählen. Dann ist es einfach nur genug ihnen ein offenes Ohr zu schenken. Nachdem dann die Snacks ausgeteilt sind, gehen die Kinder in die Klassen und bekommen Unterricht in Englisch, Mathe und Life Skills. Ich bin dann entweder wieder im Office, gebe den Unterricht, falls ein Lehrer ausfällt, assistiere bei den Hot Meals und gebe Sportstunden. Die Hot Meals sind besonders wichtig, weil es manchmal das einzige ist, was die Kinder am Tag zu essen bekommen. Jeden Mittwoch ist außerdem Judo und Library Lesson, die ich zusammen mit einer Lehrerin gebe. Die schönste Zeit ist aber, wenn man mit den Kindern auf den Bus wartet, weil die Kinder einen dann gar nicht mehr los lassen wollen und anfangen mit meinen Haaren, die ja so lang und blond sind, zu spielen und zu flechten, was manchmal ganz schön weh tut.
Die aufregendste Zeit mit den Kindern war das Holiday Programm im Dezember. Es bestand aus einem Kunstprogramm in der ersten Woche, indem die Kinder ihre eigenen Geschichten in Büchern und Kunstwerken verwirklichen konnten. Die zweite Woche war ein buntes Programm aus Sport, Spiel und z.B. Science Lessons. Die Kinder konnten sich bei Aktivitäten wie Schwimmunterricht, Seedlings, Icing, Drama Play oder Reading austoben. Es ist eine super tolle Möglichkeit für Kinder mal abzuschalten und einfach nur Kind zu sein.
Im neuen Jahr jetzt stehen aber viele Veränderungen an, da wir ein großes Spendenproblem haben und somit nur noch die Hälfte der Kinder aufnehmen können. Was im nächsten Jahr mit Three2Six passiert ist leider noch unsicher. Trotzdem freue ich mich auf die nächsten 4 Monate, in denen ich gerne ein Osterprogramm, ein paar Taekwondo Stunden oder wieder ein Leseprogramm starten würde und regelmäßig im Unterricht helfe.
Unsere Wochenenden sind super unterschiedlich. Manchmal gehen wir auf einen Markt, zum Supermarkt, besuchen Sehenswürdigkeiten rund um Johannesburg (In der Stadt selber gibt es nicht viel zu sehen) oder verbringen einen gemütlichen Tag in der WG. Ich kann mich glücklich schätzen, jetzt Freunde auf der ganzen Welt zu haben. Die anderen Volontäre kommen aus Finnland, Deutschland, Brasilien, England und Deutschland. Wenn wir nicht gerade wieder Strom- oder Wasserausfall haben, dann verbringen oft gemütliche Filmabende oder kochen zusammen. Außerdem habe ich eine Gastfamilie, die mich regelmäßig zum Abendessen oder Ausflügen mitnimmt. Es ist toll auch außerhalb der WG einheimischen Kontakt zu haben.
Am Anfang haben die 9 Monate sich für mich ewig angefühlt, aber mittlerweile habe ich schon Halbzeit und jetzt fühlt es sich an, als wäre ich gerade erst richtig angekommen. Ich habe kein Problem mehr mit Englisch, seit ich auf Reisen war habe ich mich auch richtig in das Land verliebt und die Kinder werden mir immer vertrauter. Seit ich ein Kind zuhause besucht habe, weiß ich auch jeden Tag mehr wertzuschätzen in welch einem Luxux ich in Deutschland lebe. Dieses Mädchen lebt mit ihrer Mutter in einem verfallenen Hochhaus in einem kleinen Zimmer, dass sie mit 3 anderen Familien teilen, das bedeutet 0 Privatsphäre. Das Einzige was sie besitzen ist eine kleine Matratze und fünf Plastiktüten mit Habseligkeiten. Seitdem habe ich schon manchmal ein schlechtes Gewissen wenn ich irgendwo schick Essen gehe. Jedenfalls bin ich super gespannt, wie sich das auf mein Leben auswirkt, wenn ich wieder in Deutschland bin.
Paula im Januar 2019