Am 18. August war es endlich soweit und ich bin voller Vorfreude, Erwartungen aber auch großer Unsicherheiten ins Flugzeug gestiegen. Der Abschied fiel noch schwerer als gedacht, sodass sogar kurz Zweifel aufkamen, ob ich das wirklich machen sollte, so am anderen Ende der Welt zu sein, ohne zu wissen wie es dort überhaupt so ist. Aber auch genau das hat mich neugierig gemacht. Ich habe mir auch nicht zu hohe Erwartungen gesetzt, aber ich hatte die Hoffnung, dass ich in Bolivien gut Spanisch lernen werde und dass es ein sehr erlebnisreiches Jahr wird.
Als ich in Santa Cruz de la Sierra zusammen mit noch anderen Freiwilligen des BKHW’s um 6 Uhr morgens gelandet bin, war es noch stockdunkel. 20 Minuten später war es plötzlich taghell. Da wurde mir schnell bewusst, dass ich nun wirklich auf der anderen Seite der Welt bin, nur etwas südlich des Äquators.
Nach drei spannenden Tagen Ankunftsseminar in Santa Cruz mit den BKHW-Volontären, und ein paar Formalitäten wegen des Visums ging es für mich endlich nach Comarapa, ein Dorf auf etwa 1850 Metern, wo ich meine nächsten gut 9 Monate verbringen darf. Dort wurde ich mit offenen Armen und total herzlich von den zwei Brüdern der Maristen Kommunität und meiner Gastfamilie empfangen, bei der ich auch wohne. Ich habe dort sogar ein eigenes kleines Bad und ein Zimmer, in dem nicht viel mehr als ein Bett ist, aber das total ausreicht. Mir wurde auch sehr schnell bewusst, dass das hier alles sehr großer Luxus ist. Was mir nämlich mit als erstes in Comarapa aufgefallen ist, ist die Armut, die ich in Santa Cruz nicht so direkt mitbekommen habe.
Was meine Arbeit angeht, bin ich sehr zufrieden und war es auch von Anfang an. Drei Tage die Woche arbeite ich im Centro Juvenil „Buena Madre“, in das Kinder kommen die Hilfe bei ihren Hausaufgaben oder beim Lernen brauchen. Die meisten Kinder sind zwischen 6 bis 11 Jahre alt und oft tun sich selbst die 11-jährigen schwer bei Rechnungen wie 4+4 oder 3×3. Meine Hauptaufgabe ist es also mit ihnen Mathe zu üben, was ich meisten auf spielerische Weise mache, damit es den Kindern auch mehr Spaß macht und sie die Motivation haben immer mehr zu lernen. Auch übe ich mit Ihnen das Schreiben und Lesen, wo es oft schon am ABC hapert.
Nach der Lernzeit spielen wir dann noch eine Stunde zusammen.Hier dürfen die Kinder wirklich einfach nur Kinder sein und müssen sich um nichts anderes kümmern. Vor allem Teamspiele kommen immer gut an und es hilft u.a. auch manch schüchternem Kind sich ein bisschen zu öffnen. Manchmal kommt es aber auch vor, dass ein Kind traurig ist undeinfach jemanden zum Reden braucht, bzw. jemanden der ihnen zuhört oder sie einfach mal in den Arm nimmt, was somit auch eine wichtige Aufgabe für mich ist.
Im Centro Juvenil arbeite ich zusammen mit Dolly, meiner Gastmutter, die nebenbei noch Physiotherapie macht, wo ich auch manchmal dabei bin und ihr soweit es geht helfe. An den anderen zwei Tagen der Woche arbeite ich im Internat „Casa Montagne“, in dem etwa 25 Kinder der 6. bis 12. Klasse leben. Meine Aufgaben dort bestehen darin, den Jugendlichen bei ihren Hausaufgaben zu helfen, wobei meine Hauptaufgabe ist, ihnen in Kleingruppen Englisch beizubringen. Außerdem helfen wir von 16-18 Uhr den Köchinnen der Schulküche beim Kochen, wo eher die Kinder mir beibringen, wie man am schnellsten Karotten, Zwiebeln,… in kleine Würfel schneidet, ohne ein Brett als Unterlage. Das macht auch immer total Spaß und die zwei Stunden vergehen wie im Flug. Nach dem Abendessen haben sie dann freie Zeit, in der wir oft ein paar Ballspiele spielen, bevor es dann um 20 Uhr wieder weitergeht mit der Aufgabenzeit für noch einmal zwei Stunden.
Neben der Arbeit mache ich noch bei der Pastoralarbeit mit, was mir sehr viel Spaß macht. Ich habe dort auch schon Freunde gefunden, mit denen ich auch außerhalb der Pastoralarbeit etwas unternehme. Außerdem ist hier noch ein Volontär aus Cochabamba, Christian, mit dem ich auch viel unternehme. Wir gehen zum Beispiel gerne zum Wandern in den schönen Bergen, die Comarapa umgeben. Auch vom BKHW ist seit Ende September ein Volontär da, mit dem ich mich aber auch nur auf Spanisch unterhalte, um gar nicht erst rauszukommen aus der spanischen Sprache. Außerdem bringe ich dem ein oder anderen etwas Klavierspielen bei, auf einem Keyboard im Haus der Brüder, wo im Gegenzug mir das Gitarrespielen beigebracht wird, was mir auch sehr viel Spaß macht, besonders weil ich mit der Gitarre auch mit den Kindern zusammen singen kann.
Ich sehe hier meinen Platz vor allem darin, für die Kinder in jeglicher Hinsicht da zu sein, sie zu fördern und immer ein offenes Ohr zu haben.
Meine größte Herausforderung ist hier aber die Sprache, wodurch ich manchmal das Gefühl habe, den Kindern nicht genügend helfen zu können aufgrund fehlender Sprachkenntnisse. Dazu kommt, dass manche Kinder oft die einheimische Sprache Quechua sprechen, wodurch ich dann noch weniger verstehe.
Allerdings kann ich sagen, dass nach drei Monaten im Land mein Spanisch schon viel besser geworden ist, was ich auch ständig von anderen gesagt bekomme. Auch wenn ich es mir am Anfang etwas leichter vorgestellt habe, bin ich nun froh, dass es jetzt schon viel leichter ist und ich mich unterhalten kann und auch das meiste in einer Konversation verstehe. Meine Erwartung, dass ich hier die Sprache lerne, hat sich somit auf jeden Fall erfüllt. Auch wenn ich natürlich noch kein fließendes Spanisch spreche oder alles verstehe, gelernt habe ich trotzdem schon viel und ich habe ja auch noch fast sieben Monate Zeit um mich weiter zu verbessern.
Die Erwartung nach einem erlebnisreichen Jahr hat sich auch erfüllt. Ich habe in den gut drei Monaten so viel erlebt, so viele Eindrücke erhalten und lebe so gänzlich anders und viel einfacher – das ist spannend und lehrreich und ich freue mich schon darauf, was noch alles auf mich zukommen wird!
Johanna im Dezember 2019