Der Marist Centre for Migrants wurde 2011 in der thailändischen Küstenprovinz Samut Sakhon gegründet. Das Projekt wird von der Diözese Bangkok verwaltet, die Brüder gehören allerdings dem Marist District Asia (MDA) an, welches 2006 für 7 asiatische Ländern gegründet wurde.
Die ca. 200 000 in Samut Sakhon lebenden Burmesen sind oft nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung, verfügen über teils geringe Thai-Kenntnisse und stehen Schwierigkeiten bei derIntegration gegenüber. Darüber hinaus ist Kinderarbeit ein zentrales Problem in dieser Gesellschaft, da zusätzliche Einkommen dringend benötigt werden und Kinder oft nicht in thailändische Schulen aufgenommen werden. Hier tritt unser Centre ein, in dem ein burmesisches Ehepaar und die beiden Brüder Br. Andrew und Br. Andres ca. 110 Schüler von 4-16 Jahren unterrichten. Unterstützt werden sie dabei von wechselnden thailändischen Lehrkräften und Volontären wie mir. Der Unterricht folgt dem burmesischen Lehrplan, um den Schülern einen schulischen Wiedereinstieg in der Heimat oder eine höhere berufliche Qualifikation in Thailand zu ermöglichen. Zusätzlich erhalten sie einen ausgeweiteten Englisch- und Computerunterricht.
Der Marist Centre ist ein Ort, in dem Kindern verschiedene Bildungsmöglichkeiten, ganztägige Betreuung und eine wahre Schulfamilie geboten wird. Darüber hinaus unterliegt die Einrichtung einer stetigen, progressiven Entwicklung, durch die den Schülern immer bessere Möglichkeiten geboten werden. Im Einklang mit dem Motto des MDA „Taking root in a new Land“ ist dieses Projekt eng mit der asiatischen und insbesondere der burmesischen Kultur verbunden, worauf im Folgenden genauer eingegangen wird.
Die Mitarbeit und Leitung des Projekts des burmesischen Ehepaars Jerry und Hellen ist für den Marist Centre unabdinglich. In der myanmarischen Kultur ist einiges zu beachten, die Auseinandersetzung mit den Eltern der Schüler ist oft notwendig und die Brüder sprechen kein Burmesisch. Die Beiden sind wertvolle Mitarbeiter, deren teilweise veraltete Lehrmethoden und Bestrafungen jedoch akzeptiert werden müssen. Weiterentwicklung in diesem Bereich findet statt, wenn auch etwas zögerlich.
Die Einrichtung basiert auf einem myanmarischen System und auch auf die Religion der Schüler, den Buddhismus, wird eingegangen. An vier Tagen der Woche wird zwar das Vaterunser und das Ave Maria gesungen, ein Wochentag ist jedoch buddhistischer Gebetstag und ein Mönch unterrichtet zusätzlich die Schüler. Außerdem werden größere buddhistische Gebete und Zeremonien in der Schule organisiert. Konvertierung der Schüler ist dabei in keiner Weise Ziel der Brüder. Es geht hier vielmehr um das Praktizieren von Nächstenliebe als Form von Evangelisation durch die Brüder. Das ist in meiner Sicht gelungene, moderne und rücksichtsvolleMissionsarbeit.
Auch thailändische Kultur findet in der Schule ihren Platz im Sprachunterricht, Essen und Schuluniform, um den Kinder die Integration zu erleichtern. Trotzdem wird stark darauf geachtet die Kinder nicht zu entwurzeln. Myanmarische Sprache, Werte und Lieder werden vermittelt und einmal pro Woche wird die myanmarische Schuluniform getragen. Weitere kulturelle Vorgänge finden sicherlich statt, sind aber für mich als Volontär aufgrund der geringen Erfahrung und Sprachbarriere möglicherweise nicht nachvollziehbar
Das Projekt beschäftigt sich intensiv damit, myanmarischen Kindern bestmöglich Bildung, Werte und Sicherheit zu vermitteln. Dies wird durch folgende zentrale Eigenschaften des Projektes erreicht:
1) Kostenfreie Bildung und finanzielle Unterstützung in Härtefällen
Der Schulbesuch im Marist Centre ist kostenlos, lediglich für Mittagessen und Transport wird um eine geringfügige Unterstützung gebeten. Falls diese nicht gewährleistet werden kann, entfällt sie. In ausgewählten Fällen werden finanzielle Hilfen regelmäßig an Schüler verteilt. Nur dadurch ist es oft möglich, Eltern vom Schulbesuch ihrerKinder zu überzeugen.
2) Intensiver Kontakt zwischen Lehrern, Schülern und deren Eltern.
Das Verhältnis zwischen Lehrern (u.a. Brüdern) und Schülern ist in der Regel sehr eng, wodurch Werte vermittelt und Hilfe angeboten werden kann. Besonders als Volontär sehe ich mich verpflichtet best möglich auf die Schüler einzugehen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen, die es mir ermöglichen ihre Lage zu verstehen und sie in Entscheidungen oder Problemen zu unterstützen. Dies gelingt besonders gut mit meinen beiden ältesten Schülerinnen Nyi Myat Aung und May Thaw Dar Oo.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit ist der Besuch der Familien in ihrem Zuhause. Dies wird vom burmesischen Lehrer Jerry geleitet, da myanmarische Verständigung hier notwendig ist. Dadurch ist es uns möglich, die Probleme der Familien kennenzulernen, Hilfe anzubieten und die Interessen unserer Schüler zu vertreten.
3) Berücksichtigung und Lehre der myanmarischen Kultur und des Buddhismus
Wie bereits oben erklärt, wird die myanmarische Identität der Schüler bewahrt und gefördert. Dies hilft ihnen nicht nur persönlich, sonder erleichtert auch eine mögliche Rückkehr nach Myanmar. Dies ist für mich besonders interessant, da ich die Chance bekomme die Kultur kennen- und schätzen zu lernen. Obwohl es im Schulalltag herausfordernde Momente gibt, macht es mir viel Spaß und ich fühle mich sehr wohl.
4) Umfassende Betreuung
Die Schüler finden im Marist Centre ein zweites Zuhause. Die Schulfamilie ist sehr eng verbunden. Ältere Schüler helfen jüngeren in einem für mich noch nie erlebten Ausmaß. Die Kinder haben jeder Zeit die Möglichkeit Jerry in Notfällen, insbesondere mit der Polizei, zu kontaktieren. Im Projekt werden Transport, Versorgung mit Essen, Schulmaterialien und eine Betreuung von 7 bis 16 Uhr übernommen. Außerdem erhalten die Schüler Nahrungssupplemente und müssen sich in der Schule die Zähne putzen. Die Familien sind somit organisatorisch fast vollständig entlastet und die Kinder laufen nicht Gefahr unbeaufsichtigt Zuhause oder auf der Straße zu sein. Außerdem ist der Marist Centre sehr offen in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen oder Initiativen. So wurden beispielsweise externe Kampagnen zu Arbeitsrechten, Sexualkunde und Bücherspenden veranstaltet. Auch der Kontakt zur Familie der Maristen ist sehr wichtig und Schüler aus Ländern wie Australien oder Singapur haben die Möglichkeit dass Projekt zu besuchen und mit den Kindern zu interagieren.
Die wohl größte Herausforderung des Marist Centre ist es, die Kinder als Schüler zu behalten, was häufig an den Eltern scheitert. Die Einrichtung wird von der myanmarischen Bevölkerung vor Ort sehr gut aufgenommen und die Warteliste ist immer gefüllt. Trotzdem verzeichnet das Projekt einen jährlichen Schülerwechsel von ca. 50%, was daran liegt, dass Schüler entweder nach Myanmar zurückkehren oder als Minderjährige den illegalen Arbeitsmarkt betreten. Letzteres stellt ein großes Problem dar, das es gilt zu verhindern. Da es sich um ein Bildungszentrum und nicht um eine Schule handelt, können wir Schülern keine Abschlusszeugnisse bieten. Auch hier befindet sich das Projekt jedoch in einer Entwicklung, die es Schülern ermöglicht an thailändischen Bildungsprogrammen teilzunehmen und in Zukunft hoffentlich eine offizielle Schulqualifikation zu erreichen.
Ich bin sehr glücklich und stolz ein Teil dieses Projektes zu sein. Meine Arbeit als Volontärin ist hier hauptsächlich dass Unterrichten von Englisch und anderen Nebenfächern, was ich als sehr erfüllende Aufgabe erlebe. Letztendlich ist es jedoch meine persönliche Beziehung zu den Schülern, die ich als zentrale Aufgabe sehe und welche mich mein ganzes Leben begleiten wird.
Sofie im April 2017