Circa ein drittel der Zeit meines zehnmonatigen Aufenthalts in Südafrika ist nun vorüber. In dieser Zeit habe ich schon viel gesehen und bin gespannt was noch auf mich zukommen wird. Meine Einsatzstelle ist am HOLY FAMILY College, das Nachmittags die Klassenzimmertüren für uns offen hält. Es ist eine von drei Schulen hier in Johannesburg, die das Flüchtlingsprojekt „Three2six“ unterstützt. Unser Campus ist deutlich kleiner als im Sacred Heart College und umfasst nur 75 Kinder, von der Vorschul- bis zur zweiten Klasse.
Am Vormittag erledige ich organisatorische Arbeit im Büro. Dazu gehören diverse Aufgaben für Planungen der anstehenden Projekte oder das organisieren der Warteliste, welche bedauerlicherweise viel zu lange ist. Hierfür kommen die Eltern in unser Büro, um ihre Kinder auf die Warteliste setzen zu lassen. Oft gestaltet sich die Kommunikation als schwierig, da sie teilweise nur die Sprache aus ihrem Heimatland sprechen. Irgendwie kommt man dann jedoch immer zu den benötigten Informationen. Ansonsten kümmere ich mich um die Anwesenheitslisten, Transportlisten und was alles formell festgehalten werden muss. Am Nachmittag holen wir die Kinder mit den Schulbussen aus ihren Wohnvierteln ab und starten anschließend den Tag auf dem Spielplatz. Dort können sie erst mal ein wenig Energie ablassen, bevor sie sich zu den Klassenzimmern begeben. Ich gebe für jede Klasse einmal die Woche Unterricht, indem ich mit bildungsfördernden Applikationen auf den iPads vom Holy Family College arbeite. Das hat meine Erwartungen übertroffen, da ich definitiv nie gedacht habe in Afrika eine iPad Klasse zu leiten. Im Anschließenden bekommen alle drei Klassen eine warme Mahlzeit, da sich hungrig niemand in der Schule konzentrieren kann. Danach geht es wieder zurück in die Klassenzimmer, wo sie von ihren Klassenlehrern unterrichtet werden. In dieser Zeit gibt es immer eine Handvoll Arbeit zu tun. Mal helfe ich im Unterricht oder leite die eigene Schulbücherei. Wir besitzen eine Box voll Bücher, die unsere Kinder ausleihen können um auch zu Hause die Möglichkeit zu haben lesen zu können. Um 17:30 Uhr endet meistens mein Arbeitstag indem wir die Klassen zu den Bussen begleiten, welche sie wieder in ihre Wohnviertel zurückbringen. Am Ende des Tages ist man immer erschöpft, aber man freut sich schon darauf am nächsten Tag wieder die lachenden Gesichter aus den Busfenstern zu sehen. Da eine Volontärin unser fünfköpfiges Team in Richtung Heimat verlässt, bin ich nun der einzige Volontär an unserer Schule. Das heißt es steht viel Arbeit an, die ich als Herausforderung sehe und gut meistern will.
Als ich in Johannesburg angekommen bin, war der erste Eindruck den ich gewonnen habe die hohen Mauern, die hier um jedes Haus gezogen sind. Ebenso erstaunlich war, wie nahe Arm und Reich zusammenleben. Während auf der einen Straßenseite schöne Häuser hinter Stacheldraht stehen, so beginnt auf der anderen Seite ein Armutsviertel. Die Armut zeigt sich auf dem Straßenbild mit vielen Obdachlosen und Bettlern. Wenn man durch die Wohngegenden unserer Kinder fährt, passiert man teils halb zerfallene Häuser, die trotzdem noch bewohnt sind. Kein schöner Ort um aufzuwachsen. Das gibt mir jedoch das Gefühl, dass ich hier genau das richtige mache und versuche ihnen dort zu helfen wo sie sonst keine Hilfe bekommen würden.
Nun zu meiner Wohnsituation: Unsere Wohngemeinschaft besteht aus insgesamt acht Leuten aus verschiedenen Ländern. Wir haben drei Volontäre aus Australien, eine aus Zimbabwe und Brasilien, sowie zwei weitere Deutsche. Die Stimmung im Haus ist immer gut und man lernt viel über die verschieden Kulturen rund um den Globus. Wir Deutsche sind mit Abstand die Jüngsten, während sich der Altersdurchschnitt der anderen deutlich über 20 Jahren bewegt. An Wochenenden unternehmen wir teilweise zusammen etwas in Johannesburg oder ich treffe mich mit anderen Freunden. Die Aufgeschlossenheit der Einheimischen haben hier ein schnelles und gutes Einleben begünstigt. So hat man von der Putzfrau bis zum Schuldirektor ein gutes Verhältnis, was ein angenehmes Arbeitsklima erzeugt. Am meisten Freude macht mir hier mit Three2Six bei diversen Veranstaltungen präsent zu sein. So auch bei der letzten Messe, wo zwei unserer Kinder ihre Flüchtlingsgeschichten vorgetragen haben, was auf bewegenden Beifall gestoßen ist. Mit solchen Auftritten kann man die Augen der Einheimischen über das Thema Flüchtlinge öffnen, die davor verschlossen waren. Schließlich müssen sie den größten Teil dazu beitragen diese Menschen hier zu unterstützen damit sie nicht in der Kriminalität ihres Umfelds enden.
Marius Oktober, 2017