Nun bin ich schon beinahe drei Monate hier und die Zeit vergeht wie im Flug. Ich kann mich noch sehr gut an meine ersten Tage erinnern, voller Vorfreude, Motivation, Aufregung und Nervosität. Als ich damals im Flugzeug saß, bereit in die große, weite Welt zu fliegen, wusste ich noch überhaupt nicht, was mich alles erwarten würde. Da schwirren einem dann schon einmal die ein oder anderen Fragen durch den Kopf. Wie wird die Arbeit? Komme ich mit Sprache und Kultur zurecht? Werde ich Anschluss finden? Werden die Leute mich mögen – so als Europäer? Erwartungen wollte ich mir im konkreten Sinne dann aber doch keinemachen, denn meistens kommt es dann sowieso anders als geplant. Trotzdem erhoffte ich mirnatürlich viele neue Leute kennenzulernen, tonnenweise Erfahrung zu sammeln, gerade im Umgang bzw. der Arbeit mit Kindern und natürlich auch meinen eigenen Wissenshorizont mit neuen Traditionen, Sprachen und neuer Kultur zu erweitern. Diese ganzen Hoffnungen haben sich bis jetzt größtenteils erfüllt. Ich lerne jeden Tag viele, tolle Menschen kennen, die Arbeit mit den Kindern ist unfassbar bereichernd und bereitet sehr viel Spaß und mein Wortschatz, vor allem in Afrikaans, erweitert sich von Tag zu Tag. Andererseits war mir natürlich durchaus bewusst, dass es bei weitem nicht leicht werden wird, so weit weg von Zuhause, in einem völlig neuen Umfeld und mit fremden Leuten um mich herum, die größtenteils noch nicht einmal Englisch können.
Mein erster Eindruck von Südafrika war weitestgehend positiv,da mich die Schwestern am Flughafen so herzlich empfangen haben, dass all meine Sorgen sofort verschwanden. Trotzdem kam dann relativ bald ein kleiner großer Schock auf mich zu. Mitten auf den Straßen laufen arme Kinder und Erwachsene auf und ab, betteln um Geld oder Essen. Die Straße, die nach Addo führt ist übersät mit Schlaglöchern, der Fahrbahnrand ist quasi nicht vorhanden und die Felder daneben gleichen eher einer riesigen Mülldeponie. Die Häuser, die entlang der Straße gebaut sind, sind klein und bestehen teilweise nur aus altem Blech oder nasser Erde. Ich lebe zusammen mit Sister Breda und Sister Martha aus Irland, deren Hausmeisterin und ihren drei Söhnen, sowie einer einheimischen Volontärin, Cazrine. Ich wohne mit Cazrine in einem separaten Haus. Unser Grundstück ist umgeben von Orangenplantagen und liegt ein wenig außerhalb. Sister Breda und Sister Martha, meine Mentoren, sind beide herzensgute Menschen. Sie haben immer ein offenes Ohr, wenn es Probleme geben sollte und stecken ihr ganzes Herzblut in ihre Arbeit. Sister Martha kümmert sich vorwiegend um den Creche, die Babystation, die Clinic und darum, dass Menschen aus dem Township eine ID bekommen.Sister Breda ist ein Computercrack und gibt rund um das Sundays River Valley ihr größtenteils selbst angeeignetes Wissen, in ihren eigenen Computerräumen, an Kinder und Erwachsene weiter. Cazrine kommt aus Port Elizabeth und fährt nur in den Ferien nach Hause. Auch wenn das Zusammenleben manchmal sehr herausfordernd ist, weil man sich anviele Dinge erst einmal gewöhnen muss, klappt es im Großen und Ganzen ganz gut.
Grundsätzlich gibt es in Addo immer viel zu tun. Vormittags arbeite ich immer im Creche oder der Babystation. Der Creche liegt in einem der drei Townships von Addo, Valencia. Dort lebt der der arme Teil der Bevölkerung. Wasser und Elektrizität sind hier bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen und Tagen ohne fließend Wasser. Die Straße die dorthin führt ist sehr schlecht, aber immer gut besucht, besonders während der Orangensaison. Dann sind die meisten Menschen hier beschäftigt und fahren ingroßen LKW – Bussen zur Arbeit.
Bevor wir ankommen, sehen wir schon immer zahlreiche Kinder auf dem Weg die uns freudig zuwinken oder zurufen. Im Creche selber komme ich meistens gar nicht zur Tür hinein, weil ungefähr 20 Kinder auf mich zustürmen, mich umarmen oder hochgehoben werden wollen. Es ist manchmal erstaunlich, welche unglaubliche Lebensfreude sie alle ausstrahlen, wenn man bedenkt, welche grausamen Geschichten sie schon teilweise durchleben mussten. Gerade häusliche Gewalt, Missbrauch, Vergewaltigung, Alkohol und/oder Drogenmissbrauch, Krankheit und den Verlust von Familienmitgliedern hat schon fast jedes Kind einmal erlebt. Momentan arbeite ich entweder in der Babystation, dort gefällt es mir bis jetzt am besten, oder mit den Dreijährigen. Die Arbeit dort macht unglaublich viel Spaß, kann aber auch sehr anstrengend sein. Dadurch, dass die Kinder grundsätzlich eigentlich nur Afrikaans und isiXhosa verstehen, fiel es mir besonders am Anfang sehr schwer mit ihnen zu kommunizieren und mir Respekt aufzubauen. Mittlerweile klappt es schon ganz gut und ich kann das meiste verstehen. Gerade Afrikaans ist relativ gut zu lernen, da es dem Deutschen in manchen Wörtern wirklich unglaublich ähnlich ist. Die Kinder und Lehrer versuchen mir jeden Tag ein bisschen was beizubringen. Ganz so leicht ist isiXhosa dagegen nicht. Diese Sprache beinhaltet, neben lauter kuriosen Wortzusammenstellungen nämlich auch noch sogenannte Klicks, die für eine europäische Zunge wohl einfach nicht gemacht sind. Die Kinder kringeln sich meistens vor Lachen, wenn ich es nach dem einhundertsten Versuch immer noch nicht hinbekomme.
Im Allgemeinen unterstütze ich die Lehrer dort und springe immer ein, wenn irgendwo Hilfe benötigt wird. Der Nachmittag ist meistens vollgestopft mit Computerkursen. Cazrine, ich und zwei bis dreiandere Freiwillige helfen Sister Breda den Teilnehmern/innen die Basics in Excel, PowerPoint und Word nahezubringen. Ein Kurs erstreckt sich über zehn Doppelstunden und ich bin jedes Mal fasziniert, was alle in dieser Zeit erlernen. Die meisten nämlich haben zuvorin ihrem ganzen Leben noch nicht mal einen Computer berührt und können danach mit ihm umgehen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Es ist immer schön die Leute am Ende voller Stolz mit ihren Zertifikaten zu sehen.
Momentan allerdings gibt es keine Computerkurse mehr, da die Planung für die Summer School auf Hochtouren läuft. Die Summer School ist eine Art Ferienprogramm, das die Schwestern und Jason, ein ehemaliger Maristenschüler, ins Leben gerufen haben. Dazu werden jedes Jahr weit über 400 Kinder erwartet, sowie Volontäre aus ganz Südafrika, um die Langbos, das ansässige informelle Settlement, für eine Woche im Dezember auf Trab halten. Die Kinder haben dort die Möglichkeit an zahlreichen Workshops teilzunehmen, sich sportlich auszutoben oder einfach neue Kontakte zu knüpfen. Alles in allem ist Addo ein absoluter „Place to be“ auch wenn es schon die ein oder andere Herausforderung zu meistern gab. Gerade anfangs musste ich mich erst einmal an die andere Denkweise, die anderen Erziehungsmethoden, Sprache und neue Kultur gewöhnen. Mittlerweile hat sich einiges gebessert und die Schwestern haben immer ein offenes Ohr für Probleme, was mir wirklich sehr geholfen hat. Ich fühle mich trotz allem sehr, sehr wohl hierund sende ganz liebe Grüße aus dem sonnigen Südafrika!
Lots of love !
Lea im Dezember 2019