Vor einem Jahr bin ich in mein neues Leben in Malawi aufgebrochen. Dort durfte ich neun Monate lang an der St. Charles Lwangwa Secondary School arbeiten und leben. Meine Hauptaufgabe war der Englischunterricht an der offenen Nachmittagsschule für Jugendliche und Erwachsene aus der Umgebung, die sich eine normale Secondary School Ausbildung nicht leisten können. Zusätzlich habe ich die Internatler an der Open School auf Ausflüge und in ihrer Freizeit begleitet. Die ersten drei Monate lebte ich dabei in Gemeinschaft mit drei Maristenbrüdern, später zusammen mit Eluby, einer Mitarbeiterin der Schule, in einem der Häuser auf dem Campus der St. Charles Secondary School. Meine Zeit dort ist viel zu schnell vergangen. Die Erfahrungen klingen immer noch nach und haben meine Sicht auf mich und meine Umwelt verändert und mir viel beigebracht.
Eine sehr prägende Erfahrung war das Zusammenleben in einer malawisch-deutschen WG. Es war nicht immer leicht mit Eluby (und Eluby hatte es nicht immer leicht mit mir), aber rückblickend hat mich das Zusammenleben mit ihr achtsamer gemacht und mir viel über interkulturelle Kommunikation beigebracht. Generell bin ich unabhängiger und verantwortungsbewusster geworden. Ich musste den Haushalt führen, und dabei lernen, mit begrenzten Ressourcen klar zu kommen, sei es Geld, Materialien oder Wasser. Immer, wenn ich etwas verbraucht habe, hatte ich Gedanken zu Nutzen und Nachhaltigkeit im Hinterkopf. Muss ich das jetzt benutzen? Muss ich es dann wegschmeißen? Wie kann ich es noch anders einsetzen? Diese sehr bewusste Art zu konsumieren war sehr bereichernd für mich und ich hoffe, ich kann sie auch in Zukunft beibehalten. Insgesamt war das häusliche Leben in Malawi sehr lehrreich für mich. Ich mach mir jedenfalls keine Sorgen mehr über den endgültigen Check-Out aus Hotel Mama und falls klimatechnisch demnächst die Apokalypse bevorsteht, weiß ich zumindest schon, wie man ohne Strom und fließend Wasser klarkommt.
Ich weiß jetzt also, was ich kann – und ich habe auch gelernt, was ich noch nicht kann. Zum Beispiel fand ich es anfangs schwierig, vor Gleichaltrigen und teilweise auch älteren Schülerinnen und Schülern als Autoritätsperson aufzutreten und den richtigen Mittelweg zwischen Freundin und Lehrerin zu finden. Auch Selbstorganisation war ein großes Thema für mich. Während meiner Schulzeit hatte ich mich immer an den rigiden Vorgaben gestört, und wollte endlich selbstbestimmter sein. Und dann stand ich da, in Balaka, vor meinem leeren Stundenplan, ohne Autoritätsperson, die mir sagt, was ich wo wann wie zu tun habe, und kam mir komplett orientierungslos vor. Diese und weitere Probleme konnte ich mit der Zeit lösen oder zumindest bessern. An manch anderen Hürden bin ich gescheitert. Es war ein schwieriger Lernprozess, mit solchen Grenzen und Fehlern konfrontiert zu werden, sie zuzugeben und zu akzeptieren. Das hat mir geholfen, nicht frustriert zu sein und aufzugeben, sondern zu erkennen, woran ich arbeiten muss.
Mein Dienst hat mir neben solchen wertvollen Lektionen auch eine neue Perspektive gegeben. In Beziehung zur Welt die Perspektive eines Landes im globalen Süden. Obwohl ich theoretisch wusste, dass Europa nicht das Zentrum der Welt, und meine Lebensperspektive nur eine von vielen Realitäten ist, aber so richtig gesehen, und danach gehandelt, habe ich nicht. Heute habe ich zwar immer noch keine allseitige Perspektive, doch zumindest einen weiteren Blickwinkel, und kann Geschehnisse aus europäischer und malawischer Sicht bewerten.
Auch wie ich mein persönliches Leben betrachte, hat sich verändert. Viele Dinge, die vorher für mich essenziell waren, sind mir weniger wichtig geworden. Auch wenn ich mich über die vielen Kleinigkeiten, die ich in Malawi nicht hatte, freue, weiß ich jetzt, dass ich auch sehr gut ohne kann. Und dass es sich ohne manchmal viel leichter leben lässt. Gerade in den ersten Tagen nach meiner Ankunft in Deutschland war ich total überfordert von der schieren Wucht an Zeug, mit dem wir unsere Häuser und unser Leben vollstopfen. Es klingt klischeehaft, aber mir ist klar geworden, was mir in meinem Leben wirklich wichtig ist und wofür ich dankbar sein muss.
Ich bin dankbar für mein Leben zu Hause. Da denke ich zuerst an meine Familie und Freunde. Die Distanz zu diesen Menschen hat mir gezeigt, was ich an meinen Lieben habe, und hat manche Beziehungen enger werden lassen. Ich bin auch dankbar für all die Möglichkeiten, die wir hier haben, für Nahrungsmittelsicherheit, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, Trinkwasser aus der Leitung und für Bildung. Weil ich gesehen habe, was es bedeutet, diese Dinge nicht zu haben. Wir in unserer schönen deutschen Blase sehen die Befriedigung solcher grundlegenden Bedürfnisse als selbstverständlich, aber das sind sie nicht. Nicht für die Hälfte der malawischen Bevölkerung. Daran sind nicht direkt wir schuld, und unfaire globale Strukturen zu lösen, ist schwer. Aber davon dürfen wir uns nicht aufhalten lassen. Ein einzelner kann die Welt nicht retten, aber jeder kann sich auf den kleinen Teil konzentrieren, den er ändern kann.
Für die Möglichkeit, meinen kleinen Beitrag zu leisten, möchte ich mich an dieser Stelle bei Cmi-Deutschland bedanken. Danke, für all die Arbeit, die ihr in die Vorbereitung und Begleitung eurer VolontärInnen steckt und Danke für all die Erfahrungen, die ich in meinem Freiwilligendienst in Malawi machen durfte, und die mich mein ganzes Leben lang begleiten werden. Das ist ein unglaubliches Geschenk, und ich hoffe, dass noch viele nach mir dieses Geschenk annehmen, und weitergeben können. Durch den Freiwilligendienst habe ich gesehen, welches Potential in uns allen steckt. Jetzt müssen auf unsere Absichten und unser Potential nur noch Taten folgen.
“You’ve spent an infinity years not being born yet and you will spend another infinity years being dead. Finish your cereal and go outside.” “Be the change you wish to see in the world.”