Wie im Flug ist die Zeit vergangen und schon wieder sind drei weitere Monate meines Freiwilligendienstes in Bolivien vorüber. Diese drei Monate waren sehr ereignisreich und haben meine Persönlichkeit weiter geformt. In der Zeit der Schulferien, von Anfang Dezember bis Ende Januar, waren meine beiden Hauptprojekte (Jugendzentrum/Internat) geschlossen, wodurch ich die Chance bekam, noch andere Projekten kennenzulernen. Beispielsweise durfte ich an einem Feriencamp der Maristen für Schüler teilnehmen und habe dort mit zwei anderen Betreuern zusammen eine Gruppe geleitet. Diese Camps bieten den Kindern genau die richtige Mischung zwischen Spiel und Spaß und dem Kennenlernen der Geschichte Marcelin Champagnats. Überall im Camp war der maristische Gedanke durch gemeinsames Singen, Gebete, usw. deutlich zu spüren, was mir sehr gut gefallen hat. Außerdem habe ich gesehen, wie viel Arbeit doch hinter der Organisation eines solchen Camps steckt. Bis spät in die Nacht saßen wir Betreuer noch zusammen, haben den Tag reflektiert und alles für den nächsten Tag geplant, weshalb wir am Ende der Woche, dann auch ganz schön müde, aber sehr glücklich waren.
Zudem konnte ich in dem Camp meine Gruppenleiterfähigkeiten verbessern und fühlte mich in meiner Person gestärkt. Über die Maristen habe ich auch noch Kontakt zu einem anderen Projekt in Cochabamba, nämlich „Das Haus der Kinder“, aufnehmen können, in dem ich dann auch Ende Januar für zwei Wochen gearbeitet habe. Das Projekt besteht aus vielen Häusern, also eine Art Dorf innerhalb der Stadt, in denen größtenteils Kinder mit Behinderung, Krebs usw. mit ihren Eltern oder Betreuern leben. Die Menschen dort bilden wirklich eine Gemeinschaft, jeder hilft jedem, keiner wird ausgeschlossen, normale Kinder und Kinder mit Behinderung gehen zusammen in die dort errichtete Schule, es scheint wie eine ganz eigene Welt. Als ich gerade erst im Projekt angekommen war, wurden mir nach einer kurzen Vorstellung sofort 2 geistig und körperlich schwer behinderte Kinder und ein Kleinkind anvertraut, nach dem Motto, du kannst das schon. Ihr Vertrauen in mich, aber auch diese große Verantwortung, die ich auf einmal hatte, waren neu für mich, weil ich in meinen anderen Projekten nie auf mich allein gestellt war. Ich habe wirklich gemerkt, wie ich durch die Arbeit dort reifer, selbstbewusster und stärker geworden bin und mich wirklich entfalten konnte.
Das Projekt hat mir gezeigt, dass ich etwas für mich persönlich in Comarapa ändern möchte, dass ich mich mehr in meinen Hauptprojekten engagieren und mehr Verantwortung übernehmen möchte. „Das Haus der Kinder“ hat mich nach meiner Rückkehr nach Comarapa dazu inspiriert, neben meinen zwei großen Projekten auch noch im „Centro especial“ zu arbeiten, einer Schule für Kinder mit Behinderung. Noch dazu bin ich inzwischen auch Mitleiterin einer unserer Jugendgruppen der Maristenschule hier. Auch im Internat und im Jugendzentrum bin ich deutlich präsenter und habe die richtige Mischung für mich zwischen Respektsperson und Freundin für die Kinder gefunden.
Am Anfang meines Volontariats in Comarapa hatte ich vom maristischen Netzwerk noch nicht wirklich viel mitbekommen, habe aber im Laufe der Zeit gemerkt, dass ein solches durchaus vorhanden ist und die Kommunitäten untereinander auch zusammenarbeiten. Die Brüder aus Bolivien haben oft Zusammenkünfte in verschiedenen Städten, in denen sie sich über alles Wichtige austauschen. Vor kurzem waren beispielsweise auch Brüder aus Santa Cruz und Cochabamba bei uns in Comarapa, um einen neuen Novizen bei uns einzuführen. Am deutlichsten finde ich spürt man die Zusammenarbeit der einzelnen Maristenstellen jedoch innerhalb der Feriencamps. In diesen kommen Maristenschüler aus allen Schulen der Maristen in Bolivien zusammen und es findet ein reger Austausch untereinander statt. Dort spürt man den Zusammenhalt besonders stark und alle sind wie eine große maristische Familie, die die Botschaft von Marcelin Champagnat in sich tragen.
Es ist oft so viel los hier, dass man manchmal die Familie und Freunde in Deutschland komplett ausblendet. Ich versuche mir aber trotzdem immer mal wieder Zeit zu nehmen, um mit meiner Familie oder Freunden zu skypen. Natürlich bekommt man durch die Distanz längst nicht alles mit, was Zuhause passiert, man ist schon irgendwie ein bisschen abgekapselt, aber ich bin mir trotzdem sicher, dass mich alle wieder mit offenen Armen empfangen werden, wenn ich wieder zurückkomme. Ich glaube es wird zwar in der Anfangszeit ein bisschen komisch sein, weil sich ja jeder in neun Monaten auch verändert, aber das wird sich hoffentlich auch alles wieder einspielen.
Noch knappe drei Monate liegen vor mir, bis es wieder nach Hause geht. Ich bin wirklich schon ein bisschen traurig, dass es schon so bald ist, deshalb möchte ich die Zeit hier noch in vollen Zügen genießen. Ich bin sicher, dass auch in diesen drei Monaten noch so einiges passieren wird.
Veronika im April 2019