Helene Batemona-Abeke kauft sich am Ticketschalter ein Bahnticket mit ihrer EC-Karte. Von einem älteren Ehepaar wird sie dafür gelobt: „Sie haben das gut gemacht. Sie haben sich ein Ticket geholt. Sie können ein Ticket kaufen, Sie sind integriert, Sie arbeiten hier, mit Ihnen haben wir kein Problem“, sagen sie. Zum Abschied wünschen sie ihr, die seit 24 Jahren in Deutschland lebt, einen „weiteren schönen Aufenthalt in Deutschland“. Keine*r der Mitreisenden sagt etwas. Batemona-Abeke fühlt sich ratlos und wütend. Die Situation beschäftigt sie noch den ganzen Tag – denn sie hatte keine Möglichkeit, das Paar zu konfrontieren, da die beiden so schnell die Bahn verließen.
Nur eine von zahlreichen Rassismuserfahrungen, die sie in ihrem Leben gemacht hat. In ihrem Vortrag zum Thema Rassismus im Rahmen unserer Themenwoche „Rassistisch sind immer die Anderen?!“ verbindet sie die Erzählung solcher persönlichen Erfahrungen mit der Weitergabe von fachlichem Wissen, das sie in ihrer Tätigkeit als zertifizierte Diversity Trainerin, Sozialarbeiterin, Fachberaterin für Psychotraumatologie und systemische Familienhelferin und durch diverse Ehrenämter erworben hat. So geht sie unter anderem darauf ein, ab wann eine Handlung oder ein Gedanke als rassistisch gilt, skizziert die geschichtlichen Hintergründe von Rassismus, zeigt auf, welche Auswirkungen er auf Betroffene hat und wie man gegen rassistische Muster ankämpfen kann.
Als eine Möglichkeit, um gegen unterdrückerische Strukturen anzugehen, sieht Batemona-Abeke nachhaltiges und faires Konsumieren. Sie erklärt diesen Punkt am Beispiel unserer Kleidung. Der Großteil dieser wird in ärmeren Ländern hergestellt, in Fabriken, in denen Näher*innen ausgebeutet werden. Wir tragen sie häufig nur für einen kurzen Zeitraum. Anschließend geben wir sie in Kleidercontainer, im Glauben, die Kleidung würde kostenlos an Bedürftige weitergegeben. Das jedoch ist fast nie der Fall – stattdessen wird die Kleidung zum Beispiel in afrikanische Länder transportiert und dort zu günstigen Konditionen verkauft, die lokale Industrien häufig nicht bieten können. Sie sind aufgrund der Konkurrenz auf Dauer nicht überlebensfähig. Die Folgen sind der Verlust von Arbeitsplätzen und Perspektivlosigkeit. Für diese Zustände sind Deutsche mitverantwortlich. Und sie stellen häufig den Grund dafür dar, dass Menschen ihr Land verlassen müssen. „Wir müssen unser Konsumverhalten also ändern, denn es bedingt bestimmte Machtverhältnisse“, sagt sie.
Außerdem fordert Batemona-Abeke dazu auf, Kindern, die mit einer anderen Elternsprache als Deutsch aufwachsen, zu vermitteln, dass ihre Mehrsprachigkeit eine Ressource und kein Mangel ist. Das bedeute auch, Kindern nicht zu verbieten, ihre Elternsprache neben der deutschen Sprache in der Schule zu sprechen. Im Generellen sieht sie die Schulen als Orte, an denen sich viel ändern kann und muss. „Wir brauchen Lehrkräfte, die in ihrer Ausbildung interkulturelle Kompetenzen erwerben, eine Aufarbeitung von der Kolonialgeschichte im Unterricht, das Verbannen rassistischer Inhalte aus Schulbüchern!“
Zudem sei es wichtig, an den Schulen, aber auch an Universitäten, bei der Polizei oder bei Behörden, geschützte Räume für BIPoC zu schaffen, in denen sie sich austauschen können und Empowerment erfahren. Auch möchte sie, dass wir uns unserer Privilegien bewusstwerden und uns weiterbilden. Das sei nämlich die Grundvoraussetzung dafür, sie zugunsten anderer Menschen einzusetzen oder sie an andere Personen abzugeben. Dabei dürfe man nicht von Betroffenen erwarten, dass diese permanent zu Weiterbildungszwecken über ihre teilweise traumatischen Rassismuserfahrungen sprechen. „Es ist nicht die Aufgabe von Betroffenen, Sie zu bilden. Sie alle müssen das selbst tun, mit den zahlreichen vorhandenen Ressourcen.“
Eine konkrete Gelegenheit, die eigenen Privilegien zu nutzen, erkennt Batemona-Abeke beispielsweise in der Nutzung eigener Machtpositionen in einer Weise, die BIPoC Sichtbarkeit verschafft. Bisher sei ihre Sichtbarkeit unzureichend. Schon im Kindergarten spielten wir mit weißen Baby Born Puppen und seien von weißen Erzieher*innen umgeben. Schwarze Menschen kämen in unseren Welten kaum vor. Das dadurch entstehende Bild? „Weißsein ist die Norm. Wenn du schwarz bist, dann ist dann ist das abnormal. “ Dieses Bild müsse man brechen.
Ein weiterer Wunsch von Batemona-Abeke sind Allianzen und Verbundenheit zwischen denjenigen, die mit Rassismus konfrontiert sind und denen, die es nicht sind, „nicht nur bei Demos, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.“. Ganz praktisch könne man diese Allianzen beispielsweise eingehen, indem man migrantische Selbstorganisationen mit den eigenen Sprachkenntnissen unterstützt und geflüchtete Menschen bei Behördengängen begleitet, bei der Wohnungssuche hilft , rassismuskritische Sprache nutzt und nicht schweigt, wenn man sieht, wie ein anderer Mensch mit Rassismus konfrontiert wird – insbesondere, wenn man selbst ihn nicht erfährt. „Sie haben die Wahl zu schweigen, ich habe als schwarze Frau keine Wahl, auch meine Kinder haben keine Wahl, selbst mein neunjähriger Sohn muss sich mit Rassismus auseinandersetzen. Ich muss mit ihm darüber reden, denn er erfährt ihn jeden Tag.“