Meine Zeit in Addo rennt in Richtung Ende. Wenn ich daran denke, dass ich in einem guten Monat mit gepacktem Koffer Addo verlasse, bin ich schon den Tränen nahe. Es ist kaum zu fassen wie schnell die Zeit verging, welche Erfahrungen ich gesammelt habe und wie aus fremden Menschen Freunde und Familie geworden ist. An meiner Stelle war der Alltag wie hier gesagt wird “busy”. Von morgens in der Crèche mit den Dreijährigen bis abends im Computerkurs mit Erwachsenen jeden Alters sind die Erfahrungen und Eindrücke nur so auf mich eingeströmt. Es blieb nur wenig Zeit die Erfahrungen zu verarbeiten und sich bewusst Gedanken darüber zu machen. Der Satz “I just kept going” beschreibt die Situation am besten. Da Sister Martha und Sister Breda, gemeinsam mit Brother Christopher einem Maristenbruder, neben ihren breits etablierten Projekten, die einzige Anlaufstelle für Bedürftige in Addo sind, ist es oft hektisch. Kein Tag ist wie der andere und durch das Zusammenleben mit den Schwestern war ich immer mitten drin. Oft fehlt es den Menschen hier an lebensnotwendigen Dingen. Ein Fall an den ich mich besonders erinnere stellt meine täglichen Erfahrungen ziemlich gut dar. Eine junge Frau stand mit einem zwei jährigen Kind morgens vor unserem Zaun und bat nach Windeln und Lebensmitteln. Das ist schon ein befremdliches Gefühl, wenn man gerade satt vom Frühstückstisch aufgestand ist. Wir fuhren mit ihr zu den örtlichen Shops um das Notwendige zu besorgen. Während der Fahrt kam ich mit ihr ins Gespräch und ich war überrascht von ihrem guten Englisch. Sie war sehr offen und erzählte mir von sich. Ich erfuhr, dass das kleine Kind, das Kind ihrer an Tuberkulose verstorbenen Schwester ist, um das sie sich jetzt allein kümmert, genauso wie um ihre zwei eigenen Kinder. Sie hatte ihren Schulabschluss geschafft, konnte aber keine Arbeit finden.Wir fuhren sie zu ihrem Haus. Von außen sah es nach einem guten großen Haus aus, jedoch fanden wir heraus, dass sie für eine Menge Geld nur einen kleinen Raum an der Seite des Hauses ohne fließendes Wasser mietete. Den Raum würden andere als unbewohnbar beschreiben, der Boden nur ausgelegt mit einer Folie, ein Herd in der Ecke, keine stabilen Fenster, ein Bett sonst nichts, vom Putz an den Wänden kaum zu schweigen. Dort wohnte sie mit den drei Kindern, kaum vorstellbar! Die Kinder schliefen gemeinsam im Bett und sie am Boden, da sie nicht das Risiko eingehen wollte, dass die Kinder krank werden. Sie hatte sehr freundliche Kinder, deren Englisch sehr gut war, man konnte sehen dass sie sich sehr gut um sie kümmerte, was hier nicht immer der Fall ist, da viele Eltern Alkohol- oder Drogenprobleme haben.
Das war für mich eine Erfahrung die mir unter die Haut ging. Ich wünschte dieser jungen Frau so sehr eine bessere Lebenssituation und überlegte wie man etwas ändern könnte. Als wir eine Woche später nochmal zu ihr nach Hause fuhren, konnten wir sie dort nicht mehr auffinden. Dieses Erlebnis ist kein Einzelfall und macht mir immer wieder klar wie bedürftig viele Menschen sind und wie schwer und oft ausichtslos ihre tagtägliche Lebenssituation ist. Dabei wird mir auch bewusst wie priviligiert mein Leben in Deutschland ist und wie dankbar ich bin in Südafrika ein Voluntariat machen zu können, da die meisten wohl nie die Möglichkeit haben werden die Gegend um das Township zu verlassen. Obwohl ich immer mein Bestes gab, zweifelte ich manchmal an mir und wäre um eine Rückmeldung seitens der Schwestern dankbar gewesen. Die Liebe und Lebensfreude die ich jeden Tag bei meiner Arbeit mit den Kindern erfuhr, stärkte mich sehr und machte meine Zeit dort sehr besonders. Es ist für mich schwer vorzustellen, die stahlenden Gesichter meiner Kleinen bald missen zu müssen, denn sie brachten so viel Erfüllung in mein Leben.
Das Projekt Marist- Mercy Care wird von den aus England stammenden Sisters of Mercy in Kooperation mit den Maristenbrüdern in Südafrika geleitet. Noch im letzten Jahr arbeiteten die Schwestern eng mit den in Uitenhage lebenden Maristenbrüdern Brother Christopher und Brother Jude zusammen. Bother Christopher war schon vor der Ankunft der Schwestern in den Schulen des Sundays River Valley tätig. Aus Altersgründen mussten, die Maristenbrüder ihr Haus in Uitenhage dieses Jahr schließen und Bruder Christopher zog zu uns nach Addo um seine Arbeit für die Gemeinschaft vor Ort fortzuführen. Das maristische Netzwerk an meiner Stelle umfasst auch viele junge Maristen. So kommen jedes Jahr die Schulsprecher der fünf Maristenschulen in Südafrika zusammen und gestalten gemeinsam mit ehemaligen Schulsprechern und den Sisters of Mercy ein Sommercamp für alle Kinder in der Gegend um Addo. Für jeden Beteiligten ist das eine ganz spezielle Erfahrung, bei der man den maristischen Gedanken hautnah erlebt. Die Leitsätze der Sisters of Mercy gleichen zum Teil den der Maristenbrüder. So entstand das Projekt ganz im maristischen Sinn.
Trotz der tollen Zeit und mir der Abschied schwer fallen wird, freue ich mich wieder auf zu Hause. Gerade auch deshalb, da seit meiner Abreise meine Familie durch meinen Neffen erweitert wurde und ich mich schon sehr freue ihn auch persönlich kennen zu lernen. Ich konnte per Internet mit meiner Familie und Freunden in Kontakt bleiben und Neuigkeiten austauschen, aber manchmal blieb auch dazu nur wenig Zeit. Ich wollte die Zeit vor Ort auch ohne ständigen Kontakt nach Hause für mich erleben. Doch es gab Situationen in denen es mir gut tat mit meiner Familie oder Freunden in Kontakt zu treten. Ich bin mir sicher, dass mich meine Zeit in Addo geprägt hat und ich bin gespannt darauf, wie es sich anfühlt in meinem vertrauten Umfeld anzukommen, da es eine sehr gegensätzliche Welt ist. Möglich ist, dass ich bei meiner Heimkehr den umgekehrten Kulturschock erlebe. Mal schauen was kommt!
Johanna