Kaum zu glauben, heute ist es genau ein Jahr her, dass ich mich am Flughafen in München von meinen Liebsten verabschieden musste und zum ersten Mal ganz auf mich allein gestellt in das große Flugzeug mit dem Ziel Kolumbien gestiegen bin.
Mein Ziel: Villavicencio in Kolumbien. Eine Reise gesteckt mit Erwartungen, Fragen, Vorfreude, aber auch Sorgen und komplett ahnungslos, dass mich ein vorzeitiger Abbruch aufgrund des COVID-19 Virus erwarten würden.
Heute ist es an der Zeit ein Fazit über meinen Freiwilligendienst in Kolumbien zu ziehen. Für welche Erfahrungen war ich am meisten dankbar und was nehme ich für mein Leben mit?
Wenn ich die Zeit in Kolumbien beschreibe, dann ist es wie ein kleiner Traum der für mich in Erfüllung gegangen ist. Ich habe es geschafft, einer so anderen Kultur näher zu kommen, sie zu erleben und zu verstehen.
Ich hatte die Möglichkeit, das Land Kolumbien von verschiedenen Seiten zu erleben. Begeistert und verliebt habe ich mich in die Natur, die mir dort noch so unberührt und verlassen vorgekommen ist. In Zukunft hoffe ich, dass ich das Land noch weiter bereisen und erkunden kann, da es noch so viele Schätze verbirgt.
Ich konnte Spanisch auf einem Niveau erlernen, sodass ich jetzt eine fließende Konversation verfolgen und mich selber einklinken kann. An der Schule in meinem Dienst haben mir die Leute vor Ort das Gefühl gegeben, dass ich für sie eine Unterstützung bin. Ich wurde von den Kindern „Teacher Pau“ genannt was mir das Gefühl von Respekt aber gleichzeitig auch von Vertrauen gegeben hat. Ein Dank geht auch an die Schulleitung, die mir vertrauensvoll Verantwortung übertragen hat, was nicht selbstverständlich ist, woraus ich aber sehr viel lernen konnte.
Einen großen Teil daran, dass die Zeit für mich in Kolumbien so unbeschwert und schön war, trägt die Kommunität der Maristenbrüder vor Ort. Sie sind so gut strukturiert. Alles war genau geregelt wo meine Aufgaben liegen, wer sich um mich kümmert, und dabei haben sie mich immer spüren lassen, dass ich jetzt Teil der Familie und nicht nur Gast bin.
Besonders prägend für mich war die Erfahrung in einem sozial schwächeren Viertel außerhalb der Stadt Villavicencios zu leben. In diesem Viertel sah ich viele Kinder auf der Straße spielen, Menschen die mit ihrem mobilen Essenverkaufsständen versucht haben, sich auf der Straße das Geld für ihre tägliche Mahlzeit zu verdienen. Dort sah ich auch Familien, die zu zehnt in einer Blechhütte mit zwei Zimmern unter einfachsten Umständen gewohnt haben. Diese Bilder kannte ich vorher nur aus dem Fernsehen. Diese Erfahrung hat mein Leben in der Hinsicht verändert, dass ich mich bestätigt fühle in welchem Luxus ich hier in Deutschland lebe. Heute versuche ich, zufriedener mit den kleinen Dingen zu sein und auf manchen Luxus bewusst zu verzichten.
Dankbar bin ich für so unglaublich viele Momente, die mir in dieser Zeit ermöglicht wurden. Was mir jetzt im Nachhinein sehr bewusst geworden ist, ist folgende Erkenntnis: Es entscheidet nicht in erster Linie der Ort, ob man glücklich ist, sondern es sind immer die Menschen, die sozialen Bezüge, die einen Ort besonders und einzigartig machen.
Dankbar bin ich für jede einzelne wundervolle Person, die ich auf meiner Reise kennenlernen durfte. Es sind sehr enge Freundschaften entstanden, die für mich einfach nicht mehr wegzudenken sind. Ich bin sehr froh, dass durch die aktuelle Technik ein enger Kontakt trotz großer Entfernung weiterhin gepflegt werden kann. Gleichzeitig durfte ich auch Menschen kennenlernen, die mich mit ihren Geschichten geprägt haben. Dass ich so viel Freude an meiner Arbeit hatte, habe ich meinen Kindern in der Schule zu verdanken. Wir konnten uns täglich gegenseitig zum Lachen bringen. Sie haben mir beim Verbessern meiner Spanischkenntnisse geholfen und ich war manchmal einfach nur Kummerkasten und durfte mir Ihre Geschichten und Schicksale anhören. Diese Erfahrung wird mein Leben weiterhin bereichern und ich werde die Zeit und engen Verbindungen als kleinen Schatz immer tief bei mir tragen.
Klarmachen möchte ich, dass es ohne eine Maristenfamilie, die über die ganze Welt verteilt und doch so verbunden existiert, diese Art von Freiwilligendienst nicht möglich wäre. Ich kam vom Joseph-Bernhart-Gymnasium in Türkheim und nicht von einer Maristenschule. Was mich in diesem Jahr immer wieder aufs Neue begeistert hat war die Erkenntnis: Egal an welchem Ort auf der Welt ich Maristen – sei es Maristenbrüder oder Laien – getroffen habe, wurde ich immer mit offenen Armen empfangen und habe mich sofort wohl und wie in einer zweiten Familie gefühlt. Für diese Erfahrung bin ich sehr sehr dankbar und stolz jetzt ein kleiner Teil dieser Familie zu sein, der ich hoffentlich noch lange verbunden bleiben werde. Ich hoffe, dass es auch in Zukunft immer mehr Jugendliche geben wird, die das Angebot eines Freiwilligendienstes mit den Maristen wahrnehmen. Denn sie werden dazu beitragen, dass diese Verbundenheit über die Kontinente bestehen bleibt und die Familie auch in Zukunft wachsen lässt.
Trotz Corona und der schnellen und überstürzten Abreise bin ich dankbar für jeden Tag den ich in Kolumbien erleben durfte. Mittlerweile weiß ich, dass mein Freiwilligendienst zu Ende und dieser Lebensabschnitt vorbei ist. Trotzdem hoffe ich nach der Pandemie noch oft die Möglichkeit zu haben Villavicencio zu besuchen und das ein oder andere Projekt zu Ende bringen zu können.
Für mein Leben nehme ich die latinische Gelassenheit mit. Mich begeistert die Lebensfreude, die durch Musik und Tanz verkörpert wird. Eine Sprache bei der mir mein Herz aufgeht. Einen Platz auf der Welt, an dem ich ein zweites Zuhause habe, mit Menschen, die ich in Deutschland unglaublich vermisse.
Hasta pronto Colombia!
Paula im September 2020