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Erste Eindrücke aus Bolivien Leonie

Ich bin nun schon seit einem halben Jahr in Bolivien, genauer gesagt in San José de Chiquitos, einer Kleinstadt, die vier Stunden von Santa Cruz entfernt, ganz im Osten des Landes, liegt. Ich bin die erste Volontärin, die von Cmi dorthin geschickt wurde und dementsprechend wenig war über meine Stelle bekannt.

Bei meiner Ausreise wusste ich genau drei Dinge:

1. Es ist extrem heiß dort

2. Ich werde im Dschungel leben

3.Mein Projekt besteht aus einer Grund-, Mittel und technischen Schule sowie einer abgelegenen Kommunität aus Landarbeiterfamilien.

Nichtsdestotrotz bin ich voller Vorfreude ins Flugzeug gestiegen und wurde herzlichst in Santa Cruz in Empfang genommen. Bereits in der ersten Woche musste ich feststellen, dass meine Erwartungen nur teils zutreffen. Da zu der Zeit noch Winter in Bolivien war, wurde ich von einer schneidenden Kälte begrüßt, die mir nachts, trotz Wollmütze, nicht selten den Schlaf geraubt hat. Diese Phase war jedoch glücklicherweise schnell vorbei und ich musste mich an tropische Temperaturen über 35 Grad gewöhnen.

Auch meine zweite Erwartung hat sich als nicht ganz korrekt erwiesen. Das wunderschöne Flachland um San Jose lässt sich eher als Mischung aus Savanne und Dschungel beschreiben, dessen unberührte  Natur mit interessanten Felsformationen durchzogen ist. Ich wohne in einem relativ zentral gelegenen Stadtteil von San José, nach richtigen Straßen sucht man hier jedoch vergeblich. Die ganzen Kühe, Pferde, Esel und Hühner, die sich  ihren  Weg  durch  unser  Viertel bahnen, stört das aber reichlich wenig.  Und beim Anblick der Vipern im Vorgarten oder der Kakerlakenplage in meinem Zimmer kommt bei mir gelegentlich Dschungelcamp-Feeling auf.

Ich wohne im Haus der Brüder, jedoch gibt es in San José schon seit Jahren keine Fratres mehr und so besteht die Kommunität lediglich aus Laienmaristen. Für mich ist das wie eine Mischung aus Gastfamilie und Wohngemeinschaft, die aber trotzdem den Charakter einer Kommunität hat.

Die Laienkommunität von San Jose

 

Meine Arbeit im Projekt bestand in den ersten drei Monaten aus vier Teilbereichen. Los ging mein Tag im Kindergarten, wo ich stets freudig mit den Worten „Chamuxaume ñanumekáx“ begrüßt wurde. Das bedeutet „Guten Morgen Lehrerin“ in Besiro, der lokalen Sprache in der Chiquitania. Danach geht der

Unterricht allerdings auf Spanisch weiter. Kindergärten in Bolivien haben nur wenig mit dem zu tun was wir aus Deutschland kennen. Anstatt zu spielen, lernen die Kinder hier bereits Schreiben und Rechnen. Meine Aufgabe war es, die Lehrerin während des Unterrichts zu unterstützen. Jedoch kam es nicht selten vor, dass ich eine Klasse komplett übernommen habe, wenn ein Erzieher fehlte oder  anderweitig  beschäftigt  war.

Bei 30 Kindern im Alter von vier Jahren war das durchaus eine Herausforderung. Die Nachmittage verbrachte ich dann etwas entspannter in der Bibliothek der Mittelschule. Dort half ich dabei die Bücher in Ordnung zu halten und half Schülern bei ihren Hausaufgaben in Englisch. Hin und wieder halten die Lehrer ihren Unterricht auch in der Bibliothek ab und dabei versuche ich sie so gut wie möglich zu unterstützten.

Mittwochs arbeitete ich immer im Waisenkinderdorf. Dort lebten bis vor kurzem etwa 400 Kinder und Jugendliche, aufgeteilt auf 22 Häuser, mit jeweils nur einer „Mutter“ und so war man dort über meine Unterstützung sehr dankbar. Ich lernte und spielte dort mit Kindern und Jugendlichen jedes Alters. Dabei war nicht wichtig, was wir machten, sondern dass sich jemand Zeit nimmt, um all ihre Fragen über Gott und die Welt zu beantworten. Obwohl, oder gerade weil es den meisten dort an Zuneigung fehlt, konnten sich die Kinder öffnen und mir ihre Liebe zeigen. Innerhalb kurzer Zeit habe ich sie in mein Herz geschlossen und um so mehr hat es natürlich geschmerzt, als das Dorf kürzlich schließen musste.

Die Schüler lernen den Vokal „I“

 

Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Pastorale Arbeit. Jeden Samstagnachmittag treffen sich die Kinder und Jugendlichen, abhängig von ihrem Alter, in unterschiedlichen „Freundschaftsgruppen“. Dabei geht es vor allem um spielerische Wertevermittlung, Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und die Vertiefung des Wissens über den Ordensgründer Marcellin Champagnat. Nebenbei organisiert das „Pastoral“ auch regelmäßig Kampagnen für die Rechte von Kindern, in denen ich häufig als Leiterin einer Gruppe eingesetzt werde. Dabei geht es hauptsächlich um Aufklärungsarbeit über Alkoholismus und ungewollte Schwangerschaften, da beides in San Jose gravierende Ausmaße angenommen hat.

Ende November fingen dann die Schulferien an und für Dezember und Januar kümmerte ich mich um die Pastorale Arbeit. In dieser Zeit werden für die Schüler aller Maristenschulen Boliviens Sommercamps veranstaltet. Es begannen für mich sechs Wochen voller Stress, Schlafentzug und großer Verantwortung. Nicht selten bin ich in dieser Zeit an meine Grenzen gestoßen. Allerdings haben mich all die Herausforderungen persönlich sehr viel weitergebracht und ich möchte diese Zeit schon wegen der vielen Leute, die ich dadurch kennengelernt habe, nicht missen. Ich habe in diesen sechs Monaten sowohl mit Schülern des Abschlussjahrgangs als auch mit ehemaligen Schülern Freundschaften geschlossen.

Campteilnehmer beim Wäsche waschen

 

Obwohl San José relativ klein ist, kann man viel unternehmen. Oft gehe ich am Wochenende wandern und baden oder wir verabreden uns ganz gemütlich an der Plaza. Nachdem ich vom letzten Ferienlager in Comarapa zurückgekommen bin, blieb mir ein wenig Zeit um das Land weiter zu erkunden und so fuhr ich zuerst nach Sucre und anschließend nach Uyuni. Dort erkundeten wir ein paar Tage lang die atemberaubenden Landschaften.

Mittlerweile hat der normale Schulbetrieb wieder angefangen, allerdings bin ich nun in anderen Bereichen eingeteilt und ich muss mich erst wieder an meine neuen Aufgaben gewöhnen, aber dazu mehr im nächsten Bericht.

Leonie im Februar 2017